Interview mit Vanilla Sky: „Musik ist wie Fußball“

Vanilla Sky kommen aus Rom und sind in Sachen Power-Pop-Punk unterwegs. Kurz vor Weihnachten 2010 war das Quartett auf Tour in Deutschlands Clubs und haderte mit dem Wetter – die Italiener, die Schnee und Frost nicht so abkönnen, deckten sich in Erfurt mit warmen Gummistiefeln ein.

Electrictunes traf die beiden Sänger und Gitarristen Daniele und Vincenzo sowie Bassist Antonio und Drummer Jacopo am 16. Dezember im Kölner Underground zum Interview. Daniele und Vincenzo erzählten munter drauflos über seltsame Japaner, warum sie trotz Rihanna- und Lady-Gaga-Cover nicht als Coverband durchgehen wollen, unter welchen Speisen sich bei Italienern die Tische zu Weihnachten biegen und warum Musik wie Fußball ist.

Ihr wart vor kurzem in Japan und schriebt in eurem Blog, dass es dort „ziemlich seltsam“ war. Was war für euch so obskur?

vanillasky101216_9022_250Vincenzo: Wir waren bereits zum vierten Mal in Japan auf Tour und jedes Mal lernen wir dazu. Jetzt wissen wir, wie die Japaner ticken: Als wir zum Beispiel in Osaka auftraten, applaudierte das Publikum nach dem ersten Song, um dann plötzlich damit aufzuhören – alle zusammen, als wären sie Einer. Wir dachten „verdammt, was ist denn jetzt los?“, wussten nicht, wie wir uns verhalten sollten. Später erfuhren wir, dass dies die Art und Weise ist, wie Japaner die Arbeit eines Künstlers begutachten, honorieren. Die Fans wollen so feststellen, was für ein Typ du bist. Außerdem ist es faszinierend, dass es für beinahe alles Regeln gibt, die Gesellschaft ist durch und durch organisiert und strukturiert. Oft aber habe ich aber das Gefühl, dass sich die Menschen dort einsam fühlen, trotz aller Organisation. Na ja, die Japaner sind halt ganz anders als wir Italiener (lacht).

Warum ist euer neues Album „Fragile“, das im Sommer erschien, in Deutschland bis jetzt nur als Import zu haben?

Daniele: Das Major-Label, bei dem wir sind (Universal Music Italia; d. Red.), wollte die CD zuerst in Italien veröffentlichen, seinem wichtigsten Markt. Noch arbeiten wir daran, „Fragile“ auch in anderen Ländern, so zum Beispiel in Deutschland, herauszubringen und feilen an Verträgen und dem ganzen Drumherum. Wir hoffen, dass es Anfang 2011 mit einem internationalen, englischsprachigen Album klappt. In Italien selbst ist nur die italienische Version der Scheibe mit italienischen Texten erschienen, denn Italiener sind Fremdsprachen gegenüber ziemlich ignorant – leider.

Schreibt ihr eure Lieder zuerst mit italienischen und anschließend englischen Texten?

Daniele: Dafür haben wir keine feste Vorgehensweise, mal so, mal so. Jeder von uns, denn wir alle komponieren Lieder, macht es anders. Bei mir ist es so, dass bestimmte Melodien das Texten auf Englisch unterstützen. Wenn ich italienische Texte schreibe, sind die Melodien zum Teil etwas anders. Das hängt  stark von der jeweiligen Sprachmelodie ab.

Vincenzo: In welcher Sprache wir Songs schreiben, hängt stark von den Inhalten der Texte ab. Klar gibt es Lieder, in denen wir unsere Gefühle am besten auf Italienisch ausdrücken können. Aber es gibt so einige Dinge, die sich auf Italienisch nicht gut sagen lassen. Zum Beispiel „ich liebe dich“, das sich für mich als „ti amo“ auf Italienisch eher kindisch anhört. So etwas kannst du auf Englisch viel poetischer ausdrücken. Die englische Sprache erlaubt es mir, anders als die italienische, die sehr kompliziert ist, in der Worte sehr viele Bedeutungen haben können, direkter sagen zu können, was ich fühle und eher auf den Punkt zu kommen.

Daniele: Bei unseren Texten, die wir in Englisch schrieben, hat uns unser Produzent enorm unterstützt. Mit ihm haben wir oft darüber gesprochen, wie wir uns noch besser in Englisch ausdrücken können. Während der Aufnahmen zu „Fragile“ hat er unseren englischen Texten vielfach den letzten Schliff verpasst.

vanillasky-fragile_1802009 habt ihr euch von Bassist Francesco und Schlagzeuger Luca getrennt. Weshalb?

Vincenzo: Irgendwie hat das Zusammenarbeiten nicht mehr so geklappt, wie es eigentlich sollte. Solange die Musik Spaß macht, ist alles super. Aber auch als Musiker musst du dich organisieren, dein Geld verdienen und dir eine solide Lebensgrundlage schaffen. Nachdem wir 2008 unsere Tour beendeten, wollte unsere Plattenfirma Material für eine neue Scheibe und wir mussten weg vom Tourspaß und wieder ab in den Musikeralltagtrott. Die beiden haben das nicht so richtig auf die Reihe bekommen, waren ziemlich gestresst und wollten ihr Privatleben etwas mehr genießen. Daraus resultierte schließlich die Trennung.

Ist Vanilla Sky ein Fulltimejob für Euch?

Vincenzo: Die Band nimmt schon den wichtigsten Stellenwert ein, aber wir alle machen nebenher noch etwas anderes. Wir müssen ja auch Geld verdienen.

Und was macht ihr nebenher?

Daniele: Das hat alles mit Musik zu tun. Zum Beispiel Produzententätigkeit, das heißt wir bringen Nachwuchsbands auf die Spur und kümmern uns um sie.

Was hat der Bandname Vanilla Sky mit dem gleichnamigen amerikanischen Thriller mit Tom Cruise aus dem Jahre 2001 zu tun?

Daniele: Rein gar nichts. Als wir mit unserer Band begannen, kannte niemand von uns den Film. Den Namen Vanilla Sky brachte unser früherer Bassist Francesco ins Spiel. Er war damals 19 und er fand das Bild vom Himmel während eines Sonnenunterganges toll, die honiggelben Pastelltöne. So kamen wir zu unserem Namen.

Ihr habt 2007 „Umbrella“ von Rihanna erfolgreich gecovert, jetzt seid ihr mit einer Coverversion von Lady Gagas „Just Dance“ am Start. Habt ihr keine Angst davor, euch den Namen einer Coverband einzufangen?

vanillasky101216_9020_250Daniele: Etwas schon. Vor dem Erscheinen von „Fragile“ trafen wir uns mit der Plattenfirma und stellten unsere Ideen für eine neue Single vor. Weil aber das bis dahin Bekannteste unser „Umbrella“-Cover war, meinte das Label aber, dass wir dort ansetzen und erneut ein witziges Video produzieren sollten.

Vincenzo: Wir hatten damals so viele Songs geschrieben, dass wir keinen Gedanken daran verschwendet hatten, erneut mit einem Cover an den Start zu gehen. Wegen der Umbesetzung und der damit verbundenen längeren Pause aber meinten die Jungs vom Label, es sei das Beste, wir würden mit einem bekannten Song das Pferd wieder richtig ans Laufen bringen. Manchmal sind Coverversionen eben durchaus geeignet, Leute auf dich aufmerksam zu machen und dadurch mit deinen eigenen Stücken in Berührung zu bringen.

Daniele: Bands, die jedoch nur wegen ihrer Coverversionen bekannt sind, haben selbst zu wenig zu bieten. Wenn du nach zwei Coverversionen weg vom Fenster bist, warst du schlecht, andernfalls bist du auf dem richtigen Weg. Na ja, und wir wollen den Leuten auf unserer Tour zeigen, das wir massig andere toller Songs haben.

Die meisten deutschen Hörer verbinden mit der Musik Italiens so etwas wie Eros Ramazzotti, Zucchero oder Gianna Nannini und weniger eine Art Power-Pop-Punk wie ihr ihn macht. Gibt’s in Italien eine Punk-Szene?

Vincenzo: In den 90ern gab es eine richtig große Punk- und Hardcoreszene in Italien. Ende der 90er ging dies dann über in Pop-Punk, wie er aus den USA herüberschwappte. Vor allem rund um Rom oder im Norden um Mailand und Turin war diese Musikrichtung sehr populär. Mittlerweile ist diese Musikszene in Italien aber ziemlich tot. Wir sehen uns aber auch weniger als Power-Pop-Punker, sondern eher als Alternative-Rockband.

Auf dem Album bedankt ihr euch alle bei euren Familien. Wie wichtig ist Familie für Euch?

Daniele: Sehr wichtig, wir sind Italiener (lacht)! In Italien wohnen die Kinder sehr lange bei ihren Eltern, so wie ich. Gut – in Rom sind die Wohnungspreise ja auch verdammt hoch. Doch, für Italiener ist Familie sehr, sehr wichtig. Ich freue mich unheimlich darauf, Weihnachten mit meinen Eltern, meiner Familie zu feiern. Jeder wartet schon darauf, sich beim großen Weihnachtsessen an den Tisch zu setzten (lacht).

vanillasky101216-0734_250Und was gibt’s bei euch an Weihnachten zu essen?

Daniele: Das willst du wirklich wissen? O.k. ich erzähl’s dir, das dauert aber. Es fängt an mit Bruschetta, dann folgen zweierlei Tortellini, einmal als Suppe sowie mit Trüffeln. Danach gibt’s Lasagne mit Fleisch und Tomaten, anschließend einen Kuchen mit Cardi (eine Art Artischocken; d. Red.). Am 24. Dezember steht Fisch auf dem Tisch, am 25. stattdessen Fleisch. Dazu essen wir von drei verschiedenen Salaten. Gefeiert wird ganz traditionell: Weihnachten gehört der Familie, Silvester dann den Freunden.

Welche Musik hört ihr privat?

Daniele: Manchmal höre ich mir in der Tat Rihanna oder Lady Gaga an. Dann aber nicht, weil mir deren Musik so gut gefällt, sondern um mir die ausgefeilte Produktion anzuhören: Die Songs hören sich nämlich ziemlich fett an, der Gesang ist toll abgemischt. Das ist zum Beispiel so, wie beim Fußball: Wenn Du mit deinen Freunden spielst, ist das eins, du hast viel Spaß. Aber wenn du dir die Serie A ansiehst, dann weißt Du, wie super Fußball gespielt werden kann.

Von welchen Musikern lasst ihr euch beeinflussen?

Vincenzo: Antonio steht zum Beispiel auf Placebo, und die schreiben wirklich gute Songs. In den vergangenen Jahren haben wir uns als Vanilla Sky selbst unheimlich weiterentwickelt, von einer Punkband hin zu einer Rockband mit ausgearbeiteteren Texten, ausgefallenen Effekten. Klar, auf Bands wie die Foo Fighters, Jimmy Eat World oder The National stehen wir schon. Aber maßgeblich beeinflussen tut uns heute kaum einer.

Mit welchem Musiker würdet ihr gerne auf der Bühne stehen?

Daniele: John Lennon.

Er muss noch leben…

Vincenzo: Mit Oasis, eine meiner Lieblingsband. Mit vielen Bands, die ich als Kind hörte, haben wir bereits zusammen Konzerte gegeben. Und haben festgestellt, dass manche der Musiker gar nicht so tolle Typen sind, wie du immer dachtest.

Daniele: Wenn du Idole hast, ist es manchmal gar nicht verkehrt, diese nicht persönlich kennen zu lernen.

Herzlichen Dank für das Gespräch

www.vanillaskyrock.com

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