Seether verpassen live lauen Songs rauhe Kanten

Wer weiß, wie Cousin Itt aus der Addams Family aussieht, der hat in etwa eine Vorstellung davon, wie Shaun Morgan rüberkommt: Die Haare verdecken das Gesicht des Sängers und Gitarristen Seethers weitgehend, hinter einer Haarwand formen Lippen den Gesang, der zwischen knurrig-böse und sanft-melodisch pendelt. Nicht anders im Bürgerhaus Stollwerck, wo das Trio mit südafrikanischen Wurzeln, das mittlerweile in den USA beheimatet ist, den etwa 600 Fans am 5. Dezember eine ordentliche Packung Grunge und Alternativerock bot.

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Einen recht deftigen Einstieg legten Seether mit „Gasoline“ und „Needles“ vom kantigen Erfolgsalbum „Disclaimer“ (2002), das 2004 als „Disclaimer II“ neu aufgelegt wurde, hin. In den folgenden gut anderthalb Stunden, die ohne Zugabe auskamen, spielten sich Morgan und seine beiden Bandkumpels Dale Stewart am Bass und John Humphrey am Schlagzeug durch härteres altes Songmaterial und neuere Titel, die erheblich glatter wirken. Deutlich chartorientierter und melodischer sind zum Beispiel die meisten Songs des jüngsten Albums „Holding onto Strings Better Left to Fray“, das viele Hörer und Kritiker zurecht als nicht besonders gelungen bezeichnen.

Maue Songs live mit mehr Fahrt

Von „Weichspülcharakter“ war bei Songs wie „Tonight“ oder „Here And Now“ live allerdings nicht ganz so viel zu hören – auch diese kamen brummig und immer mal wieder böse wirkend aus den Lautsprechern. Morgan machte deutlich, dass er nicht nur sowohl das melancholische als auch ruppige Gitarrenspiel beherrscht, sondern passend zu den Klängen des Sechssaiters auch seine Stimme changierend und gelungen einsetzen kann, sich stimmlich irgendwo zwischen Kurt Cobain und Eddie Vedder bewegt. Und dass er, bis auf wenige Ausnahmen wie hie und da ein „Thank you“, kein Freund großer Worte oder Plaudereien auf der Bühne ist.

Zweimal allerdings kam er um die Rolle als Conferencier nicht herum: nämlich dann, als das Pedal der Basstrommel seinen Geist aufgab, und er der ungeplanten Reparaturpause durch spontan inspirierten Gesang mit Inhalten wie „was haben wir bloß für beschissenes Material, ich hasse die verdammte Firma“ zu unfreiwilliger Komik verhalf. Und er spontan eine Akustikversion von „The Gift“ in der Setlist nach vorne hievte, weil die Roadies noch am Schlagzeug herumbastelten. Seinen Aktionsradius von knapp anderthalb Metern vor seinem Mikroständer aber durchbrach er deswegen nicht; anders als Stewart, der seine Teil der Bühne komplett nutzte und mit seinem Instrument kreuz und quer, über Kopf herumhantierte.

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Mehrmals musste Morgan Songs oder deren Strophen lediglich ansingen – das Publikum übernahm textsicher ganze Liedteile. Am deutlichsten wurde dies bei „Broken“, wohl der bekannteste Titel Seethers, woran die Neuaufnahme mit Evanescence-Sängerin Amy Lee, damalige Freundin Morgans, erheblichen Anteil hatte. Musikalisch uninspiriert allerdings gestaltete sich das anschließende Schlagzeugsolo Humphreys. Ein Ausrufezeichen setzte der 42-Jährige jedoch, als er seine Trommeln und Becken mit den Händen bearbeite, als hätte er Bongos oder Congas vor sich – hat man so was schon mal gesehen? Sicherlich nicht allzu oft. (Fotos: Helmut Löwe)

Setlist Seether

– Gasoline
– Needles
– Fine Again
– Driven under
– 69 Tea
– Here and Now
– Broken
– The Gift
– Rise above this
– No Resolution
– Tonight
– Country Song
– Change (in the House of Flies; Deftones-Cover)
– Fake it
– Remedy

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