Seligs „Magma“ brodelt auf niedriger Flamme

Mit „Magma“ veröffentlicht die Hamburger Band Selig die dritte Studioplatte im Jahre fünf nach ihrem Comeback. Und Selig hat dieser mit einem Cover in Grün und Orange, mit dem verschnörkelten Schriftzug eine Optik der 70er Jahre verpasst, eine Zeit, in der Lavalampen bunt waberten – also irgendwie schon ziemlich „magmalike“. Wer nun aber in Anbetracht der Erscheinungsweise und des Titels der Platte meint, die zwölf Songs seien eine klare Hommage an die 70er, an schräge-psychedelische Klänge, an die Art von Musik, für die Selig zu Beginn ihrer Karriere einmal standen, der wird enttäuscht werden. Denn nur in Ausnahmefällen klingen Selig auf „Magma“ so, wie man es von ihnen erwartet und kennt, klingen nach grandiosen Liedern wie „Mädchen auf dem Dach“, „Sie hat geschrien“ oder „Bruderlos“. „Magma“ ist nett anzuhörende Rockmusik auf der Höhe der Zeit, aber keineswegs jenes „Monster von einem Album“, wie es einem der Waschzettel der Plattenfirma glauben machen will.

Dabei ist der Einstieg in „Magma“ mit „Ich lüge nie“ ein gelungener: die nölende Gitarre Christian Neanders, die nölende Stimme Jan Plewkas, Melodie und Texte ein bisschen wie ein Mantra wiederholt, das lässt sich doch gut an, kein Grund zu verzweifeln, genau so wie es Plewka singt. Doch schon das Kirchenorgelintro in „Alles auf einmal“ macht einen wundern, „was will uns der Komponist damit sagen“, möchte man fragen. Was folgt ist akustisch dahinplätschernder Poprock ohne große Ecken und Kanten, höchst eingängig-melodischer Gesang Plewkas, der es doch wirklich knurriger und mitreißender kann. Und so etwas taucht nitcht nicht nur an dieser Stelle auf, sondern ist gleich auf mehrere Songs des Albums verteilt.

Cooles Plätschern im Hipstercafé statt großer Eruption

Oft genug hat man während des Hörens das Gefühl, nicht die ehemals einzig wahren Vertreter des deutschen Grunge im Ohr zu haben, sondern eine jener vielen neuen Bands, die deutsche Poprockmusik der jüngeren Dekade fabrizieren und mit ihrer Musik des Mittelmaßes relativ problemlos in die oberen Chartregionen vordringen. „Danke“ hört sich ein bisschen nach einer Komposition des Shootingstars Philipp Poisel an, „Wenn ich an dich denke“ klingt nach Hintergrundmusik in einem coolen, schicken Hipstercafé. Und wenn Plewka in „Love & Peace“, einem musikalisch durchaus gelungenen Werk, das die jüngere Historie des Globus abarbeitet, im Refrain „Lala lalala“ singt, dann will man hinausschreien: „Verdammt, das habt ihr doch gar nicht nötig, das ist doch unter eurer Würde“.

Dass es auch anders geht, zeigen Titel wie „Zeit“ und vor allem „Magma“, welches mit guter Komposition, starkem Orgeleinsatz und vor allem Plewkas intensivem Gesang und seiner unnachahmlichen Stimme ein echter Höhepunkt der Scheibe ist. „Nichts hält mich fest“, intoniert Plewka hier; ach, würde ihn doch auf vielen der weiteren Songs auch nichts festhalten, wären doch bloß mehr Songs solcher Art auf der Platte. Dann nämlich hätte diese wirklich ein bisschen was von dem eingangs erwähnten Monster. So allerdings brodelt das „Magma“ Seligs lediglich auf kleiner Flamme, wabert leicht vor sich hin, eine große Eruption bleibt aus. Die Frühjahrstour sollte dennoch im Kalender eines Musikliebhabers stehen, denn live sind Selig hörens- und sehenswert – und womöglich legen die neuen Songs in konzertanter Version zu. (Bandfoto: Thomas Rabsch)

„Magma“ von Selig hat mit seinen zwölf Songs eine Laufzeit von 52:57 Minuten. Die Platte ist erschienen auf dem Label Vertigo Berlin und wird von Universal vertrieben.

Anspieltipps: Ich lüge nie, Zeit, Magma

Selig im Frühjahr 2013 auf Tour durch Deutschland

14.03. – Leipzig, Der Anker
15.03. – Rostock, Moya Kulturbühne
17.03. – Frankfurt, Gibson
18.03. – Stuttgart, LKA/Longhorn
19.03. – Freiburg, Jazzhaus
20.03. – Bielefeld, Ringlockschuppen
22.03. – Berlin, Columbiahalle
23.03. – München, Backstage
24.03. – Köln, Live Music Hall
26.03. – Hamburg, Docks
27.03. – Hamburg, Docks
03.04. – Dortmund, FZW
04.04. – Mannheim, Alte Feuerwache
05.04. – Hannover, Capitol

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