„Darkness will rise“ von The Raven Age patzt in der Kür

Wow, ein Debütalbum mit 13 Titeln und einer Laufzeit von über 70 Minuten ist ja schon mal ein ordentliches Pfund. Da hat anscheinend jemand reichlich Songideen. Und diejenigen, welche die vielen Songideen haben, sind The Raven Age, eine Londoner Band aus dem Genre Melodic Metal. Seit 2009 gibt es die Band, eine erste EP stammt von 2014 – nun also mit „Darkness will rise“ der erste Longplayer der Musiker um Sänger Michael Borrough und Gitarrist George Harris. Harris? Harris? Ja, wer da an Steve Harris denkt, liegt richtig. Denn George ist ein Sohn des wohlbekannten Iron-Maiden-Bassisten. Und so etwas, der Sohn eines berühmten Vaters zu sein, hilft ja gerne mal, wenn die Medien von der Band, in welcher man spielt, Notiz nehmen sollen. So – Notiz genommen, genug dessen.

Auch ohne die verwandtschaftlichen Bande muss man von The Raven Age und deren Erstlingsalbum Notiz nehmen. Schließlich sind die Songs durchaus so angelegt, dass diese technische Ausgereiftheit zeigen und durch ihre Mischung aus Härte und Melodie durchaus einem großen Kreis von Rock- und Metalhörern gefallen dürften. Und schnell dahingerotzt sind die Songs nun auch nicht, wirklich nicht. Laufzeiten von deutlich über 5 Minuten, oft 6 Minuten, bei „Behind the Mask“ sogar die 8-Minuten-Grenze knackend – da muss man sich kompositorisch schon was einfallen lassen, um den Hörer nicht in Langeweile zu ertränken. Und irgendwie gelingt das The Raven Age auch.

Ausgezeichnetes handwerkliches Geschick

Harris, seine Kollegen Dan Wright an der zweiten Gitarre, Matt Cox am Bass und Schlagzeuger Jai Patel glänzen durch ausgezeichnetes handwerkliches Geschick. Kernige  Riffs wechseln sich mit gekonnten Soli ab, das Schlagzeug treibt kräftig, aber stets rhythmisch-abwechslungsreich an. Und spontane Breaks sowie häufige eingestreute Tempiwechsel bringen Dynamik ins Spiel. So wie zum Beispiel in „The Merciful One“, in dem balladeske Passagen mit Akustikgitarre den melodischen Metal unterbrechen. „Das Songmaterial auf ‚Darkness Will  Rise‘ ist heavy, mal schnell, mal soft, episch, stets dynamisch und effektvoll“, so beschreibt Harris das veröffentliche Material. Und schwupps hat er eine sehr gute Beschreibung des Albums abgeliefert. Aber – ja, ein aber muss jetzt kommen – die Epik, die Dynamik, das Schnelle und Softe der Lieder, das wiederholt sich leider in ganz vielen der Songs auf sehr ähnliche Weise. Der Pep der einzelnen Songs spiegelt sich leider nicht als Pep der ganzen Scheibe wider.

Der Gesang Borroughs bewegt sich weit jenseits des deftigen Melodic Metalcores, mit dem viele der Lieder – wie „Angel in Disgrace“ – ins Rennen gehen. Sehr melodiös setzt er seine Stimme ein, so könnte es auch in Songs jeglichen anderen Rock- und Metalgenres klingen. Da vermisst man leider oftmals knurrige Passagen, welche den Songs über deren musikalische Heftigkeit hinaus auch gesanglichen Charakter verliehen. Nein, stimmlich ist’s gut, was Borroughs abliefert. Aber austauschbar hört sich der Gesang an – da drücken Sänger andere Bands der Musik ihrer Kollegen einen individuelleren Stempel auf. Und bringen damit ein Alleinstellungsmerkmal – Marketingexperten sprächen von USP (Unique Selling Point) – ins Spiel, den man hier vermisst. Auf „Darkness will rise“ haben The Raven Age ordentlich Punkte in der Pflicht geholt, patzen aber in der Kür. Eine gute Platte, die einen aber nicht wirklich bei den Eiern packt, dafür entdeckt man beim mehrmaligen Hören einfach zu wenig Neues. (Foto: John McMurtrie)

„Darkness will rise“ von The Raven Age hat 13 Titel mit einer Laufzeit von 74:54 Minuten. Das Album ist im Vertrieb bei BMG.

Anspieltipps: The Death March, Eye among the Blind, Angel in Disgrace

www.theravenage.org

www.facebook.com/TheRavenAge