Amphi 2013: Gleißende Sonne, düstere Klänge und viel Schweiß

Gar nicht so leicht hatte es die Schwarze Szene auf dem Amphi-Festival am Wochenende des 20. und 21. Juli 2013 im Kölner Tanzbrunnen: Bei Temperaturen von gut über 30 Grad Celsius und gleißendem Sonnenschein war die schwarze Bekleidung, die die weitaus größte Menge der 16.000 Besucher an jedem der beiden Tage trug, eher unvorteilhaft. Wie gut hatten es da die weißen „Krankenschwestern“ oder Bräute“, die mit ihrem hellen Outfit deutlich besser dran waren, weniger vor Hitze „zerflossen“. Kaum ein Wunder also, dass nach einem schon heißen Samstag die sonntägliche Kleiderordnung viel, viel luftiger war, als noch am Tage zuvor. Nichtsdestotrotz zeigten sich einige Unverdrossene, die auch bei gefühlten 55 Grad nicht auf Gasmaske, Lackbody oder dichten und aufwändigen Kopfschmuck verzichteten. Wen wunderte es also, dass an den diversen „Trinkwassertankstellen“, an denen das erfrischende und kühle Nass kostenlos zu haben war, lange, lange Schlangen anstanden.

Fotos vom Amphi 2013:

Bands am Samstag | Besucher am Samstag | Bands am Sonntag | Besucher am Sonntag

Blut spritzt in hohem Bogen von der Bühne

Etwas kühler als in der brüllenden Hitze rundherum um das Sternenzelt inmitten der Tanzbrunneninsel war es tatsächlich vor der großen Open-Air-Bühne: den großen Zeltdächern sei Dank, die dem Areal Schatten verpassten. Aufs Schwitzen musste dennoch keiner verzichten, Schatten hin oder her. Denn von der Bühne herab schallten die unterschiedlichsten Klänge, die – je nach Gusto – in Tanz-, Spring- oder Pogolaune versetzten. Tanzwut verwoben am Samstagnachmittag mittelalterlich angehauchte Rockmusik mit eine gehörigen Portion Elektrobums. Und machten auch vor den Ärzten nicht Halt, deren „Bitte, bitte (lass mich dein Sklave sein)“ auch ohne den früheren Pornostar Teresa Orlowski die Meute elektrisierte. Nicht nur einen ganzen Tacken härter, sondern für so manche Besucher hart an der Grenze zur Geschmacklosigkeit agierten Agonoize. Einmal mehr ließ Sänger Chris L. literweise Kunstblut fließen und strömen. Sprudelnde Fontänen tauchten Fotografen im Bühnengraben und die Zuschauer in vorderster Reihe in ein Bad aus flüssigem Rot. Und brüllende Bässe ließen den gesamten Tanzbrunnen erbeben.

Nahezu bieder wirkte schon fast der Auftritt der deutschen Indie-Ikone Phillip Boa, zumindest in optischem Sinne, so mit Anzug und ordentlicher Kleidung. Musikalisch dagegen ließ sich der auch diesmal meist griesgrämig dreinschauende Wahlmalteser zusammen mit der sichtlich gealterten Pia Lund nicht lumpen: Nein, sie packten nicht nur alte Klassiker wie „Love on Sale“, „Container Love „ oder „Annie flies the Lovebomber“ aus. Die beiden und ihr Voodooclub mischten die Zuhörer, unter ihnen Cybergoths, Steampunks oder Goths, ordenlich auf, selbst wenn man Boa ansonsten weitab der Schwarzen Szene eingruppierte. Sogar ein kleiner Moshpit vor der Bühne war auszumachen. Die wüstete musikalische Schlacht lieferten am Samstagabend wohl Atari Teenage Riot, die mit ihrem zerstörerischen Elektropunk und geschrienen politischen Statements das Staatenhaus in Aufruhr versetzten.

Drehleier und Sackpfeifen statt digitalem Getöse

Als ganz das Gegenteil der wütenden und bösen Alec Empire, Nic Endo und Rowdy Superstar präsentierten sich am Sonntag Faun: Die Mittelaltertruppe bediente sich vorwiegend Instrumenten, die schon vor vielen hunderten Jahren zum Einsatz kamen: Fidel, Drehleier, Sackpfeifen, Laute, Trommel oder Flöte versetzten die Zuhörer auf einen mittelalterlichen Markt voller Spielleute. Auf digitalen Unterbau verzichteten die Münchner dennoch nicht: allzu deutlich stachen die beleuchteten Apfel-Logos in der Düsternis der Bühne hervor. Am hellen Tageslicht gut zu erkennen dagegen Oomph!, die ein wenig maritime Stimmung an den Rhein brachten. Eröffnet von einer Schiffssirene sprangen die Musiker im Matrosenoutfit auf die Bühne, einen Superhelden im Schlepptau: Sänger Dero Goi hetzte in roten Shorts, mit rotem Umhang, Handschuhen und Gesichtsmaske hin und her über die Bühne. Immer links, rechts, geradeaus – quasi wie im „Labyrinth“.

Weit weniger optisch aufsehenerregend der Auftritt von Anne Clark. Die Britin, die ihre Karriere in den 80ern als „Elektrowunderkind“ begann, überzeugte mit einer wohltuenden Mischung aus Synthiesounds, Gitarrenarbeit und Celloklängen. Über den Oft langen und elegischen Melodieläufen ihre Band schwebte der Sprechgesang Clarks, der aber manches Mal etwa verlorenzugehen schien. Da wäre wohl der Toningenieur gefordert gewesen. In die Dämmerung hinein lieferten Fields of the Nephilim einmal mehr – die Musiker nördlich Londons traten zum dritten Male beim Amphi auf – ihren gitarrenlastigen und düsteren Rock. In Staubmantel und Staublook gehüllt hätten Sänger Carl McCoy und seine vier Kumpels auch problemlos die Bösewichter in einem Spaghettiwestern mimen können. Wortkarg bis auf ein „Thank you very much“ kurz vor der Zugabe gab sich McCoy, dafür umso brummiger und finsterer seine Stimme. Mit ihrem „Moonchild“ waren Fields of the Nephilim der Zeit knapp voraus: Vollmond war erst am Montag.

Der Termin der Jubiläumsausgabe des Amphi-Festivals steht auch schon: Im Jahre 2014 findet das zehnte Amphi am 26. und 27. Juli statt. (Fotos: Helmut Löwe)

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