Was haben Kim Kardashian und System of a Down gemeinsam? Haben die Frau, die allein durch ihr Dasein statt durch Können glänzt, und die Alternative-Metaller, die musikalisch durch alle Genres schiffen, überhaupt etwas gemeinsam? Ja! Denn beider Vorfahren kommen aus Armenien. Und beide machen anlässlich des 100. Gedenktages (24. April) zum Völkermord in ihrer Heimat die Öffentlichkeit aufmerksam auf die Grausamkeiten vor einem Jahrhundert. Kardashian dadurch, dass sie Aufläufe auf den Straßen Armeniens verursacht, System of a Down dadurch, dass sie unter dem Motto „Wake up your Souls“ mitreißende Konzerte geben. So wie am 13. April 2015 in der Kölner Lanxess-Arena.
Konzertfotos: System of a Down in der Arena in Köln
Auf ihrem einzigen Konzert in Deutschland während der „Wake-up-your-Souls“-Tour lieferten Sänger Serj Tankian, Gitarrist Daron Malakian, Bassist Shavarsh Odadjian und Schlagzeuger John Dolmayen die volle Packung ab. Thrashmetal, Stadionrock, Rap, Klassik, Alternative-Rock, Crossover, Hardcore, Folklore – nichts, was das Quartett nicht in seinen Songs verarbeitet. Ja, einfachen Geschmack bedienen System of a Down, SOAD, wie sie in Kurzform genannt werden, nun wahrlich nicht. Die vielen Genres, die häufigen Tempiwechsel und der mitunter schräge Gesang sind nur etwas für knallharte Fans. Und von denen waren 15.000 in cie Arena gepilgert – ausverkauft. Weil nur beinharte Anhänger vor Ort waren, keine Musikfans, die sich ein Konzert „nur mal so ansehen und anhören“, war die Stimmung entsprechend ausufernd.
Moshpits im Moshpit
Fast schon hingebungsvoll tobte die Menge in der Halle. Die Arena war ein echter Hexenkessel. Nahezu der gesamte Innenraum glich einer wabernden, springenden, tanzenden Masse aus Menschen. Irgendwie vergleichbar mit einem E-Werk – das 2.000 Zuschauer fasst – welches ganz und gar ein einziger Moshpit wäre. Und im großen Moshpit gab es gleich mal mehrere kleine; Crowdsurfer glitten über die Köpfe, Pogo allenthalben, der Schweiß floss in Strömen. Und auch die Tribüne war kaum zu bremsen, hin und wieder hatte man das Gefühl, dass gleich alles zusammenbräche, wenn die Fans bloß noch ein wenig mehr sprängen. Selten nur kam ein wenig Ruhe und Besinnung auf, so wie bei „Lonely Day“ vom Album „Hypnotize“. Sogar Feuerzeuge leuchteten.
Konzertfotos: System of a Down in der Arena in Köln
Über allem Toben, Mitsingen, Abfeiern und Pogen lag der wilde Sound der Band. Und stand ein Fronmann, der sich als Shouter, Rapper, Opernsänger, böser Schreihals und Erzähler gleichermaßen präsentierte. Wechsel zwischen den Stilen fast schon im Sekundentakt. Ach ja, als großer Performer entpuppte sich Tankian auch – gestenreich verhalf er seinen Texten zu Optik. Zwei Stunden lang. Und erst zum Schluss hatte Tankian auch etwas zu sagen anstatt zu singen. Ein kurzes Statement zum Motto „Wake up your Souls“ und eine Minidankesrede im Namen der vier begeisterten Musiker an ein noch begeisterteres Publikum: „Ihr wart verdammt unglaublich – vielen, vielen Dank!“. Das politische Thema Völkermord beschränkte sich allerdings auf drei kurze Videoeinspieler – eben doch Konzert, keine Politrockveranstaltung. (Fotos: Helmut Löwe)