Robert Ehrenbrand von der Band Boysetsfire

Interview mit Boysetsfire: sechs beste Freunde im verrückten Banduniversum

Für Boysetsfire läuft es gut: die US-amerikanische Hardcoretruppe hat ihren Status als musikalischer Geheimtipp, der in kleinen Kaschemmen vor kleinem Publikum auftritt, hinter sich gelassen. Ohne jedoch seine Unbequemlichkeit zu verlieren, sich mit Plattenfirmen zu arrangieren und sich den Charts anzunähern. Das, was Boysetsfire fabrizieren, ist immer noch rauh, ungestüm, politisch unkorrekt. Und genau dafür, für ihre Unabhängigkeit, lieben die Fans sie.

Band und Fans – das ist wie eine ganz, ganz große Familie. Und genau diesen familiären Gedanken propagieren Boysetsfire; auch Robert Ehrenbrand, bayrischer Bassist Boysetsfires. Im Mailinterview plauderte Ehrenbrand über die enorme Bedeutung von Freundschaft, den hohen Wert von Selbstbestimmung und wie wichtig Autarkie auch in der Musik ist.

Ihr habt am 21. August 2015 mit dem „Family First Festival“ eine eurer bis dahin größten Headlinershows im Kölner Palladium vor 4.000 Zuschauern gegeben. Wie war der Auftritt für Euch?

Es war wirklich ein ganz besonderer Abend für uns, der jede unserer Hoffnungen und Träume weit in den Schatten gestellt hat. Mit so vielen langjährigen Freunden zu spielen, die unglaubliche Energie des Publikums zu spüren – das ist wirklich schwer zu beschreiben, aber der „Family2“-Gedanke ging voll auf. Vor, neben, auf und hinter der Bühne. Der ganze Tag war wahnsinnig schön.

Tags zuvor gab es ein Konzert im Gebäude 9 vor 400 Fans. Worin liegt der Unterschied zwischen Konzerten zweier solch unterschiedlicher Größenordnung?

Ich persönlich ordne Konzerte nicht nach „Größe“ ein. Das heißt, ich habe schon unglaublich intensive und tolle Shows in Kellern gespielt und eher mittelmäßige Shows auf riesigen Festivalbühnen. Für mich zählt, wie sehr ich und auch das Publikum in der Musik und den Texten aufgehen. Da gibt es dann an besonders guten Abenden so eine Art „Flow“, wo man an nichts mehr denkt, einfach nur spielt und gemeinsam mit den Zuschauern etwas Besonders erschafft. In Köln waren beide Abende genau so, nur eben auf unterschiedlich großen Bühnen. Viel bedeutet haben sowohl mir als auch der ganzen Band beide Shows.

Boysetsfire, Foto in Schwarz-Weiß„Family First“, was bedeutet dies für Euch?

Wir haben diesen Familienbegriff so oft genutzt, um klarer herauszuarbeiten, worum es bei uns geht. Ich denke, es gibt sehr viele Bands, die fremdgesteuert agieren (zum Beispiel durch  Plattenfirmen, durch Managementfirmen oder andere) oder aber nicht wirklich engste Freunde sind, sondern eher eine Zweckgemeinschaft von Musikern. Wir sind hier das genaue Gegenteil: wir sind komplett autark, haben unser eigenes Label, buchen unsere eigenen Touren und unser „Manager“ ist mein ältester Freund. Und desweiteren sind wir mehr als Freunde, wir sind eigentlich wie Brüder. Drei von uns wohnen sogar Haustüre an Haustüre in Maryland (lacht). Zwei von uns sind mit Schwestern verheiratet, und so weiter. Uns ist wichtig herauszustellen, dass wir kein „Kunstprodukt“ sind, sondern eine wirkliche Familie, die authentisch und echt agiert. Es gibt keine schleimige Agenda, sondern einfach ehrliche Musik und Texte von sechs besten Freunden. Für polierte Glanzprodukte müssen sich die Leute an andere Bands halten – aber da gibt es ja genug Auswahl… (lacht)

Ihr habt den Nachfolger von „While A Nation Sleeps“ am Start. Beschreibe das Album doch bitte in eigenen Worten.

Ich sehe unsere neue Platte als Abschluss eines 21-jährigen „Krieges“ für unsere Selbstbestimmung an. Wir machen ja bekannterweise mittlerweile alles selbst; selbst die Platte wurde von unserem Gitarristen Chad aufgenommen und produziert. Sie hat einen dementsprechend positiven Unterton, der den Fokus auf Gefühle wie „Freiheit“ und „Selbstbestimmung“ legt. Für mich ist das Album eine Art Weiterführung der doch recht düsteren „While a Nation sleeps“. Diese war eher der Tunnel, während die neue Platte eher das Licht wäre. Definitv ein Befreiungsschlag in Form einer CD (lacht).

Albumcover von BoysetsfireDie bisherigen Alben haben allesamt eigene Titel, das Studioalbum Nummer sechs ist schlicht „Boysetsfire“ benannt. Warum?

Uns war es mit dieser Platte sehr wichtig, den Fokus auf das zu legen, was im Zentrum unseres Universums steht: nämlich die Freundschaft innerhalb der Band sowie ein komplett autarkes Universum erschaffen zu haben. Wir haben viel gekämpft, aber nach 21 Jahren sind wir dort angekommen, wo wir hingehören: bei uns selbst. Wir entscheiden alles, wir machen alles, und keiner redet uns in diese Band hinein. Wir funktionieren nur so! Das neue Album feiert genau diesen Umstand und die Tatsache, wie wichtig es ist, für sich selbst zu stehen, zusammenzuhalten, und sich in schwierigen Situationen aus dem Dreck zu ziehen. Ich denke, der Titel lenkt die Aufmerksamkeit genau auf das Wesentliche.

Welche Bedeutung hat das Cover mit der Schlange, die ihren eigenen Schwanz vor den Augen, vor dem Maul hat?

Die Schlange symbolisiert sehr passend unser verrücktes Banduniversum. Wie die Schlange als Symbol in vielen verschiedenen Kulturen und Kontexten auftritt, so vertreten auch die einzelnen Mitglieder von Boystsfire ganz unterschiedliche Philosophien und Weltanschaungen. Das macht die Schlange als Symbol perfekt für eine Band, die wirklich „Unity in Diversity“ (Einheit in Vielfalt, d. Red.)  zelebriert. Die Schlange kommt im Okkulten vor (Nathan), in Indien (ich), im Christlichen (Josh) und so weiter. Aber bei all unseren Ideen bleiben wir offen,  und bleiben weg von organisierter Religion oder Dogma. Außerdem ist die sich in den Schwanz beissende Schlange ein wundervolles Symbol für ein autarkes Wesen. Man nennt sie auch Ouroboros. Dieser nämlich kreist in und um sich selbst – genau so wie Boystsfire auch.

Wie entstehen Boysetsfire-Songs, welcher der Musiker hat welchen Einfluss auf das Liedmaterial?

Wir alle komponieren zu gleichen Teilen und Chad nimmt das Ganze dann auf. Die Texte kommen zum großen Teil von Nathan.

Robert Ehrenbrand, Portraitfoto in SchwarzweißDu bist jetzt – bis auf eine Unterbrechung von einem Jahr – seit 2003 bei Boysetsfire. Wie hat sich die Band, die Zusammenarbeit mit den Kollegen seitdem entwickelt?

Ich glaube, wir haben viel gelernt in den Jahren seit meinem Beitritt. Wir denken viel mehr an ein familiäres Vorgehen und jeder hat gelernt, sich auch mal zurückzunehmen. Generell gilt, dass es noch nie schöner und erfüllender war, in dieser Band zu spielen als im Hier und Jetzt.

Als deutscher Musiker Mitglied einer US-Band zu sein – sowas kommt ja nicht so oft vor. Was ist das Besondere daran? Gibt es überhaupt etwas Besonderes?

Klar, ich wollte schon als 10-Jähriger gern in den Vereinigten Staaten aufnehmen und touren. Das nämlich ist etwas Besonderes, gerade, weil so viel von der Musik, die mich beeinflusst, aus den USA kommt. Ich bin auch sehr gerne dort und fühle mich in einer amerikanischen Band pudelwohl. Einzig mit der Familie und insbesondere mit den Kindern gefällt es mir in München doch am Besten. Ich habe in den USA an einigen Orten gewohnt, wo ich meine Kids eher nicht gern wohnen haben würde.

Bitte beende folgenden Satz: „Musik ist wichtig im Leben, weil…“

…sie uns die Möglichkeit eröffnet, wirklich zu leben und nicht nur zu existieren. Sie ist Meditation, Sinnsuche und Sinnfindung in einem. Sie ist somit ein Teil dessen was ich als lebenswert erachte.

Robert, herzlichen Dank für das Interview. (Fotos Robert: Pressefotos; Foto Boysetsfire: David Warren Norbut)

www.boysetsfire.net

www.facebook.com/BOYSETSFIREofficial-118834371506603

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