Oliver Ackermann von A Place to bury Strangers

Interview mit A Place To Bury Strangers

Das New Yorker Noise-Rock-Trio A Place To Bury Strangers tourt zur Zeit quer durch Europa. Die Konzerte der Band um Gitarrist und Sänger Oliver Ackermann sind für die Zuschauer eine echte Herausforderung: Die Lautstärke und die Intensität, mit der A Place To Bury Strangers ihre Songs hinaus in die dunkle Halle jagen, machen Musik beinahe schon körperlich. Die Wall of Sound, der wummernde Rhythmus und die irrwitzigen Feedbackattacken von Ackermanns Gitarre lassen den Boden erbeben, lassen einen die Songs mit allen Sinnen erleben.

Vor dem Kölner Auftritt am 25. November sprach Ackermann, der am 22. November seinen 33. Geburtstag feierte, im Backstagebereich der Ehrenfelder Werkstatt über die Musik der Band, die neue Scheibe „Exploding Head“ und den Ruf A Place To Bury Strangers, die lauteste Band New Yorks zu sein.

Konzertbericht: A Place To Bury Strangers in Köln – schmerzvoll und faszinierend

Ihr seid in den vergangenen Wochen viel gereist?

Ja, in der Tat. Wir sind herumgereist wie verrückt. Fast jeden Tag ein Konzert, nur sehr wenig Schlaf.

Hattet ihr Zeit, die Städte zu erkunden, in denen ihr auftratet?

Ja, manchmal gab’s schon die Möglichkeit. In Hamburg sind wir zusammen mit Freunden des Nachts durch die Stadt gezogen, haben uns den Hafen angesehen – das war wirklich sehr nett. Aber leider hast du für so etwas nicht immer die Zeit.

Und wie war euer Auftritt in Hamburg (24. November; d. Red.)?

Großartig – eine tolle Show. Im Übel & Gefährlich, ein alter Bunker, wo wie spielten, sind wir schon einmal aufgetreten, als wir als Support für MGMT unterwegs waren. (am 18. November 2008; d. Red.). Ein großer Laden, und ich dachte schon, dass nicht viele kommen würden – aber es war ein tolles Konzert mit etwa 250 Zuschauern.

Hast du eine solche Größenordnung im Publikum erwartet?

Ja – in etwa: Die Tour läuft zurzeit super und übertrifft meine Erwartungen. Ich hatte in der Tat gehofft, dass so viele Leute kommen würden.

Suchst Du den Kontakt zum Publikum?

Schwer zu beantworten. Wir versuchen zwar, während des Konzertes eine Art „verrückter Welt“ aufzubauen, das Publikum zu begeistern, aber ich sehe mich nicht als eine Art Entertainer. Wir möchten, dass sich die Fans quasi „in etwas verlieren“ und dazu sind keine Ansprachen wie „hey, seid ihr alle gut drauf?“ oder das Erzählen von Anekdoten nötig. Wir möchten wirklich nur durch unsere Musik, unseren Sound glänzen und die Leute hin- und weghauen.

Spielt ihr auf eurer Tour bei jedem Konzert mit der gleichen Setlist?

Keineswegs, wir versuchen, jeden Tag andere Songs zu spielen, die Setlist ändert sich ständig. Die Songs immer wieder zu wechseln, schweißt uns als Band zusammen. Denn so passiert nahezu jeden Abend etwas Unvorhergesehenes. Wir variieren unsere Titel und lassen sie zum Teil ineinander verschmelzen; so wird jeder Auftritt zu etwas Besonderem. Unsere Art, wie wir die Songs rüberbringen, die Lautstärke, die Feedbacks, dies fordert auch uns jeden Abend aufs Neue heraus, zuzuhören und den  Songs immer wieder eine neue Richtung zu verpassen. Eine feste Setlist würde uns keinen Raum für Spontaneität geben.

Wenn man in Blogs oder in Kritiken über eure neue Platte „Exploding Head“ liest, ist überwiegend eure enorme Lautstärke Thema, weniger die Texte. Sind Texte etwa nicht so wichtig für euch?

Überhaupt nicht; da die Leute sich aber eher auf das versteifen, was ihnen als erstes auffällt, ist dies halt meist unser Sound, unsere Lautstärke. Texte sind aber sehr wichtig für mich. Viele der Texte handeln von persönlichen Dingen, und da hat der Hörer vielleicht Schwierigkeiten, diese zu verstehen.

Vielfach wird dein Gesang von der Musik überlagert und ist oft nur schwer zu verstehen . Welche Absicht steckt dahinter?

Im Gegensatz zu anderen Bands, für die die Musik eine Art Background für den Gesang ist,  behandeln wir den Gesang und die Musik gleichwertig. Und so haben beide mehr oder weniger die gleiche Lautstärke. Ob Gitarre, Gesang oder Schlagzeug – alles hat für mich den gleichen Stellenwert.

Ihr wurdet als „New Yorks lauteste Band“ bezeichnet…,

Ja, das war 2007

Wie wichtig ist Lautstärke für euch?

Es ist nicht so furchtbar wichtig für uns, die lauteste Band zu sein. Wir streben eine Lautstärke an, die wir für das, was wir machen, angebracht halten. Eine Lautstärke, in der wir Musik hören wollen. Denn wenn du deine Gitarre richtig aufdrehst, dann entsteht eine Art Dialog zwischen Gitarre und Verstärker. Dann geschieht etwas, was du scheinbar nicht mehr kontrollieren kannst, du befindest dich immer am Rande des Chaos. Und das ist es, was wir anstreben, das ist es, was unseren Sound ausmacht.

Oliver Ackermann von A Place to bury StrangersDu wirst in Zusammenhang mit „Exploding Head“ zitiert mit: „Ich liebe die Gratwanderung zwischen dem Schönen und dem Furcherregenden“. Was hat es damit auf sich?

Wenn du zwischen zwei Gefühlen, zwischen zwei unterschiedlichen Situationen pendelst. In einem Moment lachst du, im nächsten Moment erschrickst du dich furchtbar. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt; es ist eine Art Balance in einem intensiven Leben. Und so etwas ähnliches vermittelt unsere Musik. Na ja, vielleicht liege ich aber auch falsch. (lacht)

Auf „Exploding Head“ gibt es auf der einen Seite melodische Songs, so wie „Keep Slipping away“ , auf der anderen Seite sehr raue und verzerrte Titel. Wie kam es dazu?

Ursprünglich wollten wir eine Scheibe produzieren, auf der alle Titel verzerrt und irgendwie abgefuckt klingen. Aber als wir die Aufnahmen begannen, stellten wir fest – ich weiß nicht mehr, wie es dazu kam – , dass wir auch andere, melodiösere Titel auf dem Album benötigen. „Keep Slipping Away“ wurde zum Beispiel eine Woche vor der Fertigstellung des Albums geschrieben. Der Song klingt deswegen sehr ursprünglich und passt gut zum Rest der Scheibe.

Wie lange habt ihr für die Aufnahmen eures neuen Albums gebraucht?

Es dauerte etwa zwei Monate, Januar und Februar dieses Jahres. Wir haben mit dem Songwriting zwar schon einige Monate vor den Aufnahmen begonnen, doch zwischendurch immer wieder Pausen eingelegt.

Ihr habt euer erstes Album auf einem kleinen Label veröffentlicht und seid jetzt bei Mute, einem Major Label untergekommen. Wie seid ihr zu Mute gekommen?

Es war eigentlich gar nicht so wichtig für uns, bei welchem Label wir unser Album veröffentlichen würden. Wir haben uns mit verschiedenen Labels zusammengesetzt, egal ob Indie oder Major, und irgendwie ist es letztendlich auf Mute rausgelaufen. Ich fand schon immer gut, was Mute gemacht hat, die Leute, die dort arbeiten, lieben die Musik. Es ist, als wenn du mit einem großen Indie-Label zusammenarbeiten würdest. Auf uns wird kein Druck ausgeübt, Einnahmen zu generieren. Sie wollen, dass ich das tue, was ich tun möchte – wir haben alle möglichen Freiheiten, das ist doch fantastisch, oder? Eigentlich das perfekte Label für uns.

Wie gehst du mit Vergleichen zu anderen Bands um, wie zum Beispiel My Bloody Valentine, Sonic Youth oder Bands der frühen 80er Jahre?

Das stört mich nicht sonderlich. Man kann A Place To Bury Strangers ruhig mit allem Möglichen vergleichen. Wenn man eine eigen Meinung darüber hat, was gut oder was schlecht ist, dann ist das für mich in Ordnung. Ich mache die Art von Musik, die mir gefällt. Und wenn sich das so anhört, wie auch andere Bands klingen, ist dies  halt so. Beabsichtigt ist es aber nicht. Ich stehe halt auf eine Verschmelzung von „verrücktem“ Lärm und Pop-Songs. Und so etwas haben ja andere Bands auch schon gemacht.

Fühlst du, der üblicherweise genannt wird, wenn es um A Place To Bury Strangers geht, dich als Kopf der Band?

Es ist schon richtig, wenn man mich als Kopf der Band bezeichnet. Wir sind zwar alle gute Musiker und gute Freunde, aber ich habe letztendlich doch die Kontrolle. Von mir stammen die gesamten Aufnahmen, das Artwork – und auch die meisten Songs.

Wie entstehen eure Titel? Arbeitet ihr zusammen oder hast du das Heft in der Hand?

Sowohl als auch: Ich habe zwar die meisten Titel alleine geschrieben, aber einige Songs stammen von uns gemeinsam. Und auch von den anderen Bandmitgliedern. Wenn mir ein Song gefällt, sollten wir ihn spielen. Und wenn jemand einen Song hat, der ihm gefällt, dann sollte er auch gespielt werden. Aber wir sind natürlich kritisch – wenn uns ein Titel nicht zusagt, fällt er durch.

Du machst nicht nur Musik, du fertigst zudem Verzerrer und Pedals für Gitarristen und Bassisten. Fühlst du dich eher als Handwerker oder als Musiker und Künstler?

Hm – so genau kann ich das gar nicht sagen. Ich mache dies alles, weil für mich die Musik eine große Leidenschaft ist. Weil ich meine eigenen Sounds kreieren wollte, habe ich angefangen, meine eigenen Verzerrer zu bauen. Und dann kam eins zum anderen, und ehe du dich versiehst, hast du tausende Dinge um die Ohren. Hier noch ein bisschen zeichnen, dort ein wenig Malen. Aber letztendlich dreht sich halt einfach alles um die Musik und ihre Geheimnisse.

Der Name Oliver Ackermann hört sich sehr deutsch an. Hast du Vorfahren aus Deutschland oder Österreich?

Genau genommen stammen meine Vorfahren aus der Schweiz. Aber das ist schon sehr, sehr lange her. Es gibt aber auch ungarische und deutsche Einflüsse in der Familie.

Was läuft zuhause auf deinem eigenen CD-Spieler?

Mein Geschmack ist sehr breit gefächert, ich höre die unterschiedlichste Musik. Ob Noise-Rock, Punk oder Pop aus den 50ern, 60ern oder 70ern, das spielt keine Rolle. Ach – eigentlich gibt’s in jedem Genre etwas, was mir gefällt.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

www.aplacetoburystrangers.com

www.myspace.com/aplacetoburystrangers

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