Orchestral Manoeuvres In The Dark, kurz OMD, darf man richtigerweise als Pioniere des Syntie-Pop bezeichnen. Paul Humphreys und Andy McCluskey, die beiden Köpfe der Band, ebneten zu Beginn der 80er Jahre mit ihren elektronischen Soundexperimenten und den großen Hits „Enola Gay“ und „Maid Of Orleans“ den Weg für viele Bands der Elektroszene. Viele Synthiepop-Bands der heutigen Zeit geben OMD, neben Depeche Mode, als einflussreiche Vorbilder für ihre Musik an. Nach einer 14-jährigen Pause legten OMD am 17. September 2010 mit „History Of Modern“ ein Comebackalbum hin.
Electrictunes traf Humphreys und McCluskey zu Beginn ihrer Promotour fürs neue und elfte Studioalbum im Kölner Severinsviertel zum Interview. Die beiden Briten plauderten unter anderem über ihren Überraschungsgig auf der c/o pop Ende Juni, die Produktion des neuen Albums sowie über die erste Singleauskopplung „If You Want It“.
Ihr seid dieses Jahr nicht zum ersten Mal in Köln, ihr wart bereits zur c/o pop hier. Wie war es für Euch, mit jungen Musikern zusammenzutreffen?
Andy: Wir hatten leider einen engen Zeitplan und konnten keine der anderen Bands sehen. Das hat uns sehr frustriert, da wir unbedingt Robyn erleben wollten. Aber sie ist erst vier Stunden nach uns aufgetreten. (OMD hatten am 25. Juni während des Spex-Abends einen Überraschungsauftritt als erste von vier Bands im Gloria; d. Red.). Und wir konnten wirklich nicht bis um 1 Uhr morgens warten.
Unser Auftritt selbst war ziemlich seltsam: Die meisten der Zuschauer waren so jung, dass sie hätten unsere Kinder sein können. Und sie machten den Eindruck, als würden sie sich fragen, was zum Teufel ihr Vater auf der Bühne treibt. Aber zum Ende des Sets hin sind sie richtig mitgegangen.
Kannten denn wenigstens einige Eure Songs?
Andy: Na ja, wir haben als erstes „Maid Of Orleans“ gespielt, und selbst bei diesem Riesenhit gab es verwunderte Gesichter. Daran kannst Du sehen, wie jung das Publikum war.
Das ist schon verwunderlich, denn die Besucher der c/o pop sind überwiegend Electronica-Fans und sollten eigentlich die Urväter der elektronischen Musik kennen…
Andy: Da wir nicht angekündigt waren, wusste kaum jemand, dass wir Orchestral Manoeuvres In The Dark waren. Schon ganz schön seltsam. Aber machen wir uns nichts vor: Niemand hatte uns mehr auf dem Schirm, und das für eine verdammt lange Zeit. Und es wird auch sicherlich noch einige Zeit brauchen, bis wir wieder etabliert sind. Im Moment läuft’s aber großartig für uns. Das neue Album ist gerade erst erschienen und macht sich sehr gut. „History Of Modern“ steht in den Top Ten – was nicht schlecht für das erste Album nach 14 Jahren Pause ist. (lacht)
Seid ihr zufrieden mit dem, was auf CD gepresst wurde?
Andy: Wirklich zufrieden ist man eigentlich niemals, wenn die Platte fertig ist. Man hat die Songs geschrieben, editiert, gemischt, gemastert – und immer wieder ist etwas nicht so, wie man es gerne hätte.
Paul: Irgendwann ist allerdings der Punkt erreicht, an dem man sich zufrieden geben muss, sonst dreht man sich im Kreis.
Warum ist die CD in Seite eins und Seite zwei unterteilt?
Andy: Das hätte ich besser nicht getan. Es ging dabei lediglich um Song-Management. Da ich derjenige bin, der die Reihenfolge der Songs festlegt, kam ich mit 13 etwas ins schleudern. Deswegen habe ich die Titel in zwei Stapel geordnet. Und jetzt sieht’s nach Vinyl-Retro aus, aber das ist es gar nicht.
Mike Crossey hat Euer Album abgemischt – wie war sein Einfluss auf „History Of Modern“?
Andy: Ehrlich gesagt, sind unsere besten Alben entstanden, wenn ein Toningenieur seine Finger im Spiel hatte. Und ein solcher ist Mike. Die Produktion lag zwar bei uns, doch manchmal muss sich jemand mit „frischen“ Ohren die Arbeit anhören. Mike ist ein großartiger Produzent, Mixer und Toningenieur. Wir sitzen sogar in demselben Gebäude. Und eines Tages ging ich mit unserem Material zu ihm und sagte „Hey Mike, misch das mal ab.“.
So, so, ihr wolltet also lediglich Kosten einsparen?
Andy: Nein, nein, Mikes Job war das Teuerste am gesamten Album (beide lachen). Wir beide hätten es in unseren Studios auch kostenlos machen können.
Mike wird eher mit Alternative- und Indiebands wie den Arctic Monkeys oder Razorlight in Verbindung gebracht. Warum trotzdem er?
Andy: Ja, das ist schon richtig. Aber Mike kann alles mixen – und er hat reichlich Erfahrung in Sachen Elektropop. Als wir jung waren, haben wir auf altes Equipment und Röhrengeräte zurückgegriffen, um einen weichen, nicht klinisch wirkenden Klang zu erhalten. Und Mike hält es ähnlich.
Warum habt Ihr „If You Want It“ als erste Singleauskopplung veröffentlicht?
Paul: Das war nicht unsere Entscheidung – schuld ist das Radio.
Andy: BBC Radio 2 sowie verschiedene deutsche Radiosender wollten den Song spielen. Und da haben wir gesagt: „O.k., nehmen wir das als erste Single“. Das bedeutet aber nicht, dass wir „If You Want it“ für den besten Song des Albums halten.
Paul: Singles sind eine heikle Geschichte: Geld verdienst du damit kaum. Viel wichtiger ist es, als Single ein Aushängeschild für das gesamte Album zu haben. Im besten Falle den Song, der am häufigsten im Radio gespielt wird.
Für welchen Song hättet ihr euch denn entschieden?
Paul: Welchen hättest Du ausgewählt?
„New Babies: New Toys“. Der Song klingt nicht wie die klassischen OMD-Stücke.
Andy: Meine Frau ist ein riesiger Pop-Fan. Und genau dieses ist auch ihr Lieblingslied. Auf meine Anmerkung, was mit den aggressiven Drums und dem schrägen Basslauf sei, sagte sie nur: „Der Refrain ist Pop in Reinkultur“. Eine Befragung hat ergeben, dass die alten OMD-Fans sich ebenso dafür entschieden hätten – aber allen anderen hat dieser Song eben weniger zugesagt. Und mit der Single wollen wir ja lediglich zeigen, dass OMD zurück ist! (Fotos: Helmut Löwe)
Lest im zweiten Teil des Interviews, was OMD über den zweiten Start, Synthiepop früher und heute sagen und welches ihre Lieblingsalben sind: