Orchestral Manoeuvres In The Dark, kurz OMD, darf man richtigerweise als Pioniere des Syntie-Pop bezeichnen. Paul Humphreys und Andy McCluskey, die beiden Köpfe der Band, ebneten zu Beginn der 80er Jahre mit ihren elektronischen Soundexperimenten und den großen Hits „Enola Gay“ und „Maid Of Orleans“ den Weg für viele Bands der Elektroszene. Viele Synthiepop-Bands der heutigen Zeit geben OMD, neben Depeche Mode, als einflussreiche Vorbilder für ihre Musik an. Nach einer 14-jährigen Pause legten OMD am 17. September 2010 mit „History Of Modern“ ein Comebackalbum hin.
Electrictunes traf Humphreys und McCluskey zu Beginn ihrer Promotour fürs neue und elfte Studioalbum im Kölner Severinsviertel zum Interview. Die beiden Briten plauderten unter anderem über den zweiten Start von OMD, Synthiepop früher und heute, die Arbeiten am Comebackalbum und verrieten, welches ihre Lieblingsalben sind.
Ist das erste Album nach einer solch langen Pause ein Schritt in Richtung OMD Teil zwei?
Paul: Wir haben in der Tat schon an ein weiteres Album gedacht. Aber um darüber zu reden, ist es eindeutig zu früh – schließlich ist „History of Modern“ gerade erst erschienen. Wir wollen erst mal sehen, wie sich die Sache entwickelt. Wenn es gut läuft, wenn wir Lust darauf haben, machen wir sicherlich weiter
Aber dies ist kein Muss?
Paul: Richtig, denn wir brauchen das Geld nicht. Wir wollten lediglich wieder auf der Bühne stehen, Spaß haben. Und Spaß hatten wir damit, das Album aufzunehmen. Wenn wir uns auch erst daran gewöhnen mussten, wieder zu zweit zu arbeiten.
Andy: Zu Beginn der Arbeit am neuen Album wollten wir up to date sein und haben die Ergebnisse unseres Schaffens übers Internet ausgetauscht (Andy lebt in der Nähe von Liverpool, Paul in London; d. Red.). Das klappte zwar, war aber sehr ineffektiv.
Paul: Und außerdem litt die Kreativität darunter. Irgendwann haben wir uns dann zusammen ins Studio verzogen, und die Ideen sind nur so gesprudelt.
Andy: Wir stehen jetzt wieder da, wo wir am Anfang mit OMD standen: Wir machen das, worauf wir Lust haben und nehmen uns alle Freiheiten. Das gleiche haben wir bereits vor 30 Jahren gemacht. Und wir waren damals überrascht, mehrere Millionen LPs zu verkaufen – dabei wollten wir nie Popstars sein. Dieses Mal werden wir zwar sicherlich keine Millionen Alben verkaufen, aber es ist toll, das machen zu können, wozu man Lust hat.
Wie war es für Euch, nach einer 14-jährigen Pause neue Songs zu schreiben?
Paul: Wir haben nie wirklich aufgehört, Songs zu schreiben. Wir haben lediglich nicht mehr zu zweit an neuen Songs gearbeitet. Als mit OMD zunächst Schluss war, haben wir uns beide unterschiedlichen Projekten gewidmet, aber immer neue Songs geschrieben, Musik gemacht, kreativ gearbeitet. Und so war es nicht allzu schwierig, wieder zusammenzuarbeiten.
Andy: Paul hat’s auf den Punkt gebracht: wir beide sind äußerst kreativ geblieben, nur nicht als OMD. Nachdem wir uns wieder zusammengetan hatten, überlegten wir, wie wir den Sound der ersten OMD-Alben für eine neue Platte nutzen könnten, ohne auf der Nostalgieschiene zu fahren. Denn der originäre OMD-Sound der ersten Stunde sollte sich modern anhören, nicht wie ein alter Hut, sondern wie Musik anno 2010.
Habt ihr moderne Technik wie Computer oder digitale Aufnahmegeräte benutzt oder auf Technik der 80er Jahre wie analoge Synthesizer gesetzt?
Paul: Von dem alten Kram kam rein gar nichts zum Einsatz. Was das betrifft, sind wir verdammt modern.
Andy: Heutzutage sind es ja vielmehr die 20-Jährigen, die mit analogen Bandgeräten oder analogen Synthesizern herumexperimentieren. Wir aber sind nicht mehr scharf darauf, einen Jupiter 8 (analoger Synthesizer der Firma Roland aus den frühen 80ern; d. Red.) durch die Gegend zu schleppen (lacht).
Paul: Wir beide besitzen moderne Studios. Ausgestattet mit allem möglichen technologischen Schnickschnack. Und wenn wir damit die von uns angestrebten ursprünglichen OMD-Sounds generieren können, warum nicht?
Ist es für euch dank moderner Technik einfacher geworden, Musik zu machen?
Paul: Nicht wirklich, manchmal ist es sogar schwieriger als früher. Es gibt einfach viel zu viele Möglichkeiten mit der heutigen Technologie. Die Synthesizer zum Beispiel haben eine wahnwitzige große Sammlung von Sounds, sodass du endlos Zeit damit verbringen kannst, dich durch die ganzen Einstellungen durchzuwühlen.
Das geht ja schon beim Schlagzeug los: Früher hatten wir eine einzige Drum-Machine und konnten zwischen drei verschiedenen Bass-Drum-Klängen wählen. Und jetzt musst du dich durch 1.500 Bass-Drum-Klänge arbeiten, bis du den geeigneten Sound gefunden hast. Du musst dich also limitieren, um nicht im Wirrwarr der Klänge verloren zu gehen.
Andy: Ein Song schreibt sich nicht von selbst. Damals nicht, wie auch heute. Wenn das so wäre, würden wir jeden Tag den Knopf für die „Hit-Single“ drücken. (lachen)
Wie wichtig sind Medien wie das Internet, Facebook oder Twitter für Euch?
Paul: Man muss sich dieser Tools annehmen, weil es angesagt ist. Du wärst ganz schön blöd, keine Website zu haben oder Deine Musik nicht übers Netz zu verkaufen.
Andy: Obwohl wir selbst nicht twittern oder Facebookmeldungen absetzen.
Wenn ihr eines Morgens aufwachtet und es würde keine Musik mehr geben, welches wären die Platten, die ihr am meisten vermisstet?
Paul: „Radioaktivität“ von Kraftwerk.
Andy: Hey, das wollte ich auch sagen.
Paul: Ich liebe dieses Album heute noch genau so, wie ich es in den 70ern geliebt habe und höre es mir sehr oft an.
Paul: Zum einen „Greatest Hits“ von Leonard Cohen. Darauf sind tolle einschmeichelnde Melodien und großartige Texte. Zum anderen Platten von Kate und Anna McGarrigle, zwei kanadische Folksängerinnen. Kate ist die Mutter von Martha und Rufus Wainwright, sie starb leider im vergangenen Jahr. So, das waren zwei von mir, jetzt hast Du auch noch eine, Paul.
Paul: David Bowies „Station to Station“.
In der Tat eine tolle Platte…
Andy: Ach, jene, die ich genannt habe also nicht? O.k. – das war’s jetzt (lacht).
Herzlichen Dank für das Gespräch. (Fotos: oben; Helmut Löwe, unten; O-TEN)
Lest im ersten Teil des Interviews, was OMD unter anderem über ihren Überraschungsgig auf der c/o pop Ende Juni, die Produktion des neuen Albums sowie über die erste Singleauskopplung „If You Want It“ sagen: