So oft kommt es bei Konzerten ja nicht vor, dass sich der Sänger der Band todesmutig mitten hinein ins Publikum stürzt, mit den Fans zusammen pogt, wild umherspringt und gleichzeitig seine Gesangstexte hinausschleudert. Bei den britischen Vertretern des Old-School-Hardcores, Gallows, war dies am 16. Juli im Gebäude 9 im Kölner Stadtteil Mülheim aber genau so: Frontmann Wade MacNeil hatte keinerlei Berührungsängste mit den etwa 350 Fans.
Und die Meute war nicht allein wegen der wüsten und brachialen Musik des Quintetts aus der Stadt der Hornets, wie der Zweitligist FC Watford auch genannt wird, gekommen. Sie wollte den neuen Sänger der Gallows live, in Action und Farbe begutachten. Denn MacNeil löst den im Sommer 2011 scheidenden Frank Carter, Bruder des Gitarristen Steph, am Mikrofon ab. Ziemlich schnell wurden alle gewahr, dass der frühere Frontmann von Alexisonfire dem Ex-Shouter in Sachen Agilität um nichts nachstand. Wenn auch die Optik – Bart und eher „kräftige“ Statur – das krasse Gegenteil zum hageren Frank darstellt.
Hut ab vor Minor Threat
An Songmaterial standen, wie kaum anders zu erwarten, Titel der im Dezember erschienenen EP „Death Is Birth“ neben den alten Songs auf der Setlist. Mit dem bereits im Internet kursierenden „Last June“ gab es auch live einen Vorgeschmack auf das neue, selbstbetitelte Album der Gallows, das am 10. September veröffentlicht werden wird. Die Briten lieferten mit „Seeing Red“ eine Hommage an die einflussreichen Hardcoreveteranen Minor Threat, die zu Beginn der 80er Jahre von sich reden machten. Von denen zeigte sich MacNeil ganz und gar hingerissen, äußerte er doch mit „ich wünschte, wir hätten diesen Song geschrieben“ seine Hochachtung vor der US-Truppe.
Immer wieder suchte MacNeil den Schulterschluss mit dem Publikum, ließ die begeisterten und ausrastenden Fans im Moshpit vor der Bühne Textzeilen und Refrains ins Mikro johlen. Viel Hoffnung allerdings, dass die Zuschauer über die Hochgeschwindigkeitsmusik von Gallows hinaus viel Zeit und Energie in das Verstehen seiner Ansagen investierten, hatte er aber offenbar nicht: „Gibt irgendjemand eigentlich etwas auf den Unsinn, den ich verzapfte“ attestierte er mehr, als dass er fragte.
Nachschlag im September
Viel Worte wollte aber auch gar keiner hören, sondern sich austoben, stagediven und, wie es einst eine Kölner Zeitung vor Jahren uninformiert aber höflich formulierte, „in ekstatische Tanzbewegungen verfallen, bei denen man sich mit Absicht gegenseitig anrempelt“. Zeit dazu blieb nicht so furchtbar viel: Nach etwa 45 Minuten war die wilde Sache zugabenlos gelaufen. Zum Glück gab es im Anschluss für den ein oder anderen Fan die Möglichkeit eines gemeinsamen Fotos mit dem vollkommen verschwitzten MacNeil. Und die Vorfreude auf den 21. September, wenn Gallows erneut im Gebäude 9 auf der Bühne stehen und losbrettern. (Fotos: Helmut Löwe)