Sie kommen aus Köln – und Bands aus Köln stehen in dem Ruf, entweder politisch ambitionierte Rockmusik zu machen oder erfolgreich auf der Karnevalsschiene zu fahren. Tja, und Bap, den Höhnern oder Brings gelingt dies auch ganz gut. Aber was ist, wenn man nicht in diese Schubladen passt? Kann man dann trotzdem gute Musik machen, die ihrer Hörer findet? Ja, man kann: Im Falle von Geist. Das Quartett ist im Auftrag der alternativen Rockmusik unterwegs und bereist die musikalische Region, die sich irgendwo zwischen den Doors, Pearl Jam und Tool befindet.
Fotos vom Geist-Auftritt am 29. Januar in der Werkstatt
Elf Jahre nach Bandgründung und knapp vier Jahre nach Veröffentlichung des Debütalbums „Für alle Zeit“ legten Geist am 28. Januar ihre zweite Scheibe vor. Und Geist hadern nun wie so viele anderen Bands damit, nach einem sehr guten Debüt ein Folgealbum nachlegen zu müssen, von dem jeder eine Qualitätssteigerung erwartet. Aber es gelingt ihnen, mit „Feuerengel“ diese Erwartung zu erfüllen – fast.
Deutsche Texte – poetisch und schwer greifbar
Treu geblieben sind Geist den meist schweren, getragenen, oft hymnenhaft wirkenden Melodien sowie den deutschen Texten. Denn diese sind das, was Geist im Vergleich zu vielen anderen Bands aus der Alternative- und Progrock-Ecke so außergewöhnlich macht. „Auf Deutsch funktioniert es einfach besser. Texte schreiben, Gedanken notieren ist schon schwer genug – warum also noch auf Englisch, welches nicht meine Muttersprache ist?“, so Sänger Fares Rahmun früher einmal. Schon wie auf „Für alle Zeit“ ist auch diesmal der lyrisch-poetische Gesang schwer greifbar und lässt viel Platz für Interpretationen.
Musikalisch dagegen wirken die Titel etwas weniger vielschichtig strukturiert und eingängiger. Mit „Feuerengel“, das bereits vorab schon im Stream und als Download verfügbar war, steigen Geist druckvoll mit einem Uptemporocker ins Album ein. Die folgenden Stücke dagegen drücken etwas mehr auf die Bremse, um aber zwischendurch immer mal wieder eruptiv aus dem Midtempobereich heraus zu explodieren. So wie „Panzer“, das vom Wechsel zwischen ruhigen und heftigen, metallastigen Passagen lebt.
Sechseinhalb Minuten langer Höhepunkt
Viel Raum auf der Platte hat der Gesang Rahmuns, der reichlich mit Gegenätzen wie nah und fern, hoch und tief oder schnell und langsam arbeitet und viel Leidenschaft in seine Stimme packt. Zum Ende des Albums hin verlieren einige Songs allerdings merklich an Fahrt, wirken wie kompositorisch noch nicht ganz ausgereift. Und können mit der durchaus hohen Qualität der übrigen Titel nicht so ganz mithalten.
Als Höhepunkt des Albums geht eindeutig „28“ hervor: Wie eine Art Rockoper steigert sich das Stück, getragen durch eine melancholisch-einprägsame Hookline, über sechseinhalb Minuten, bis es sich in einem furiosen Ende in einem Gitarrensturm entlädt und langsam verhallt. Von so etwas hätte sich gerne mehr auf der Scheibe befinden können, die mit ihren 11 Songs auf 47:30 Minuten kommt. (Livefotos: Helmut Löwe)
Das Album „Feuerengel“ ist erschienen bei Fatianol Records und wird über Rough Trade vertrieben. Anspieltipps: „Feuerengel“, „28“.