Er hätte durchaus Pate stehen können für Dr. Goldzahn und das Tier, zwei der exzentrischen Protagonisten von Electric Mayhem, der Hausband der Muppetshow. Denn mit seiner schwarzen Lockenmähne, seinem Zylinder und der Dauersonnenbrille sieht Slash einfach aus wie die Blaupause eines exzentrischen Rockstars. Über seine ausgefallene Erscheinung hinaus ist der 47-Jährige allerdings ein unglaublich guter Gitarrist – davon konnten sich die 2.000 Besucher im ausverkauften E-Werk mit aller Vehemenz überzeugen.
In der alten Industriehalle im Kölner Stadtteil Mülheim gaben Slash und seine vier Mitmusiker – Sänger Myles Kennedy, Bassist Todd Kerns, Gitarrist Frank Sidoris und Schlagzeuger Brent Fitz – das einzige Deutschlandkonzert während ihrer Tour im Herbst 2012. Und die fünf zeigten, wie man mit einfachen Mitteln das Publikum zum Toben bringt: nämlich indem man einfach mal gute, nein, sehr gute Musik macht. Denn wenn die Protagonisten auf der Bühne ihr Handwerk aus dem Effeff beherrschen, braucht es keine große Show, um einen Auftritt zum Erlebnis werden zu lassen. Dann wird aus einem Konzert ohne viel Brimborium, ohne riesige Lightshow, ohne Laser und Videosequenzen ganz großes Rockkino.
Und noch ein Solo, und noch ein Solo…
Was da aber dazugehört, sind gute Songs; davon hat Slash im Laufe der Jahre reichlich zuammengebracht – entweder mit GunsN’Roses, Gastmusikern, solo oder in Zusammenarbeit mit seinen jetzigen Kollegen, mit denen er das aktuelle Album „Apocalyptic Love“ aufnahm. Dazu gehören natürlich auch – wie könnte man es von einem Ex-Gitarristen GunsN’Roses‘ anders erwarten – solche Riesenhits wie „Sweet Child of mine“ oder „Paradise City“. Dieser mündete als letzter Song des knapp zweistündigen Auftritts in Konfettiregen und einer Slash’schen Gitarrenorgie. Von solchen gab es im Laufe des Konzertes reichlich: die Menge an Soli, die Slash in diesem einen Abend unterbrachte, reichen vielen anderen Bands für eine gesamte Tour. Ohne zu unterteiben wird es wohl gut ein Viertel der abendlichen Spielzeit gewesen sein, die der Zottel in nahezu vollendeter Gitarrenkunst alleine verbrachte.
Klar, das Rockstarposing hat Saul Hudson, wie Slash mit bürgerlichem Namen heißt, auch drauf: Gitarre senkrecht halten, lässig baumeln lassen oder seine Gibson Les Paul wild bearbeiten – so etwas gehört irgendwie zu einem Rockstar, das können andere auch. Doch die Fingerfertigkeit, die nötig ist, um über die Saiten zu flitzen, um der Gitarre mehr als nur Töne zu entlocken, um die Klaviatur zwischen Blues, Rock und Metalriffs virtuos zu beherrschen, die haben außer ihm nur ganz wenige andere. Vielen im Publikum mag wohl der Gedanke gekommen sein: Mensch, der Mann hat die Musik, den Rock, nicht nur im Blut, der ist Rock.
Stimmfest in allen Lagen
Bei aller Lobhudelei für Slash darf man die gekonnte Leistung seiner Mitstreiter nicht unter den Teppich kehren. Denn ein begabter einzelner Musiker kann nicht glänzen, wenn seine Band hinterherhinkt. Und hinterherhinken, das taten die vier wirklich nicht, allen voran Kennedy, der auch für Alter Bridge am Mikrofon steht und die Gitarre bedient. Besonders bei den etwas langsameren Stücken mit Balladencharakter wie „Not for me“ oder „Starlight“ glänzte er mit seiner Stimme, die auch in höheren Lagen nicht ins Trudeln geriet. Zweimal jedoch überließ er Kerns das Mikrofon, dessen rotzigere, dreckigere Stimme „Dr. Alibi“ einfach authentischer machte – denn kein Geringerer als Motörhead-Ikone Lemmy Kilmister prägt auf Platte mit seiner Jack-Daniels-geschwängerten Röhre den Song.
Slash als Lichtgestalt der Band und des Abends hielt sich elegant am Mikrofon zurück, erst zum Ende des Konzertes hin sprach der Meister. Um kurz vor 23 Uhr stellte er schließlich fest: „Das war ein verdammt großartiges Konzert – vielen Dank“. Und auch wir sagen danke, danke für einen Konzertabend, wie er im Lexikon unter der Frage „wie geht ein richtiges Rockkonzert?“ als Antwort stehen könnte. (Fotos: Helmut Löwe)
Setlist Slash
– Halo
– Night Train
– Ghost
– Standing in the Sun
– Back from Cali
– Been there lately
– Civil War
– Rocket Queen
– No more Heroes
– Shots fired
– Dr. Alibi
– You’re crazy
– Not for me
– Starlight
– Blues Jam / Anastasia
– You’re a Lie
– Sweet Child of mine
– Slither
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– By the Sword
– Paradise City