Mit dem Begriff Supergroup wird ja schnell um sich geworfen, sobald ein mittelmäßig begabter, vor allen Dingen bekannter, Musiker ein paar Kumpels um sich schart und eine Platte veröffentlicht. Von einer echten Bandgründung ist da meist kaum die Rede. Bei den Winery Dogs, die jetzt mit dem gleichnamigen Album am Start sind, liegt dies allerdings etwas anders: Zum einen sind die drei Protagonisten keineswegs mittelmäßig begabt, sondern Koryphäen ihres Genres. Zum anderen sehen sich die drei Musiker als echte Band, zumindest laut Waschzettel des Labels.
Sänger und Gitarrist Richie Kotzen mischte bei Poison und Mr. Big mit, Bassist Billy Sheehan stand jahrelang mit Steve Vai, David Lee Roth oder ebenfalls Mr. Big auf der Bühne. Und Schlagzeuger Mike Portnoy ist unter anderem Mitbegründer der Prog-Metal-Ikonen Dream Theater, war jüngst mit Neal Morse und seiner Band auf Tour. Was das Thema Band betrifft, weitere Platten, stellt Sheehan schon mal fest: „Wir sind so stolz auf dieses Album. So glücklich wie wir mit dem Material sind, glauben wir, dass die nächste Platte genauso cool, vielleicht sogar noch besser werden wird.“
So, nun aber zuerst zu dem, was ab 30. August in den Läden stehen wird, jetzt schon als Import zu haben ist. Um es kurz zu machen: das ist ziemlich gute Musik. Kotzen, Sheehan und Portnoy bieten musikalisch-handwerklich nahezu perfekte Feinkost. Die Platte hat all das, was man auf einem erstklassigen Rockalbum erwartet: Gute Kompositionen, abwechslungsreiche Songs, ausgezeichnete Rhythmusarbeit bei allen Instrumenten, und, was besonders heraussticht, extraordinäre Solofinesse – das beileibe nicht nur von Gitarrist Kotzen; auch seine beiden Kollegen haben genügend Platz, ihre Kunst immer mal wieder in den Vordergrund zu bugsieren.
Songwriterisch-musikalisch-technische Glanzleistungen
Dass der Gesang Kotzens den Songs deutlichen Led-Zeppelin-Charakter verleiht, wie man sofort beim Opener „Elevate“ gewahr wird, liegt nun einmal in seiner Stimme begründet, die sich unverkennbar in ähnlichen Gefilden wie die Robert Plants bewegt. Aber das ist ja nicht Neues. Und auch das ist nichts Neues, dass bei den US-Amerikanern gerne mal das Stadionrockschwert, vor allem in Sachen Gesang, geschwungen wird. Hier machen The Winery Dogs keine Ausnahme: ganz oft nämlich taucht ein irgendwie ziemlich zugekleistert-süßer Refrain in den Songs auf. Gerne auch in balladesken Liedern wie „Damaged“ oder „The Dying“. Darüber kommt man aber dank songwriterisch-musikalisch-technischer Glanzleistungen üblicherweise schnell wieder hinweg. Denn diese Glanzleistungen nämlich sind es, die das Album prägen, gut für ganz großes Musikkino sind.
Neben Variationen aus Hard-, Stadion-, Southern- und Mainstreamrock machen The Winery Dogs ebenso vor Prog-Rock-Elementen nicht halt: So zum Beispiel enden das anfänglich tempogetrieben „The Other Side“ oder „Six Feet Deeper“ mit einem Tempobruch und gekonntem Solozusammenspiel aller Beteiligten, wie es auch die Neal Morse Band oder Porcupine Tree im Repertoire haben. Insgesamt eine Scheibe, die die Erwartungen von Liebhabern gekonnt gespielter Instrumente, die sich hin und wieder mit Mainstreamrock amerikanischer Art anfreunden können, stets zur vollsten Zufriedenheit erfüllt. Ein Kauf, der sich lohnt! (Foto: Pressefoto)
Das Debütalbum von The Winery Dogs hat mit seinen zwölf Titeln eine Laufzeit von 55:39 Minuten und ist erschienen auf dem Label Loud&Proud.
Anspieltipps: Elevate, We Are One, The Other Side, Time Machine