Die Reihe “Ausgegraben” stellt in unregelmäßigen Abständen Scheiben vor, die es auch Jahre nach ihrer Veröffentlichung wert sind, nicht im Plattenschrank zu verstauben, sondern noch einmal gehört zu werden. Dieses Mal: Red Lorry Yellow Lorry, die mit ihrem Album „Paint Your Wagon“ sehr gelungen den Raum irgendwo zwischen The Sisters Of Mercy, Fields Of The Nephilim und britischen Indie- und Punkbands füllen.
Wer The Sisters Of Mercy sagt, muss auch Red Lorry Yellow Lorry sagen. Und wer Fields Of The Nephilim sagt, muss auch Red Lorry Yellow Lorry sagen. Und wer von der ein oder anderen britischen Independent-Band der 80er Jahre spricht, ebenso. Die Band um Sänger und Gitarrist Chris Reed wurde 1981 in Leeds, Yorkshire, gegründet; dort, wo auch Andrew Eldritchs Truppe herstammt. Die Musik, die Reed und seine Kumpels machen, fängt da an, wo die Sisters Of Mercy aufhören und die Fields Of The Nephilim anfangen. Und fängt so manche Stimmung von Post-Punk-Bands wie Killing Joke ein. Das Fahrwasser jener Rockgrößen verlassen Red Lorry Yellow Lorry jedoch, um ihren eigenen Kurs einzuschlagen.
Mit sehr rhythmischem und gleichzeitig aber ziemlich profan schepperndem Schlagzeug wird der Unterbau der grundsätzlich tanzbaren Songs gezimmert. Ein rumpelnder Bass und spacig angehauchte Gitarren gehen einher mit Reeds düster-energetischem Gesang, der oft genug mit reichlich Hall unterlegt ist. Und das ist nicht nur auf den ersten EPs und Maxis sowie auf dem Debütalbum „Talk about The Weather“ von 1985 so, sondern auch auf der zweiten Scheibe „Paint Your Wagon“ aus dem Jahre 1986.
Kurz, knackig, mitreißend
Dem Cover nach zu urteilen, würde man wohl Musik von Ennio-Morricone-Western inspiriert erwarten – doch das, was Red Lorry Yellow Lorry abliefern, hat nichts mit Westernromantik zu tun. Allenfalls die düstere und staubig-trockene Atmosphäre der Pistolerofilme des Italieners fängt die Scheibe voll und ganz ein. Keine langen und ausgefeilten Songs mit aufwändigem Songwriting, keine epische Miniopern, wie sie so manche Zeitgenossen Red Lorry Yellow Lorrys veröffentlichten, sind zu hören. Kurz, knackig, mitreißend und so manche Tanzfläche von Szenediscos füllend sind die elf Titel. Denn diese haben gerade einmal eine halbe Stunde Zeit, den Hörer zu beindrucken. Na, ja, so maches Konzert von Red Lorry Yellow Lorry war ja auch kaum länger: Oft genug war nach nur 40 oder 50 Minuten der Auftritt gelaufen.
Von wegen Weltschmerz
In seinen – passend zur Länge der Songs – kurzen Texten baut Reed eine düstere Grundstimmung auf: „There’s nothing left for you and me / And it’s not hard for me to see / We’re on the last train, we’re on the last train“. Weltschmerz will sich aber keineswegs einstellen, dafür ist die Musik, die die Bandmitglieder mit ihren Instrumenten entfachen, doch einfach eine Spur zu aggressiv: „Walking On Your Hands“, das instrumentale „Mescal Dance“, „Head All Fire“ oder „Save My Soul“ sind eher was für wilden Pogo denn für getragenen Tanzstil von Dark-Wavern. Das treibende, peitschende Schlagzeug erweckt zwischendurch den Eindruck, als sei eine Drummachine zugange.
Paint Your Wagon ist beim Label Red Rhino Records erschienen, das sich 1988 auflöste. Auf der CD-Veröffentlichung finden sich zusätzlich zu den zehn Songs der Original-Vinyl-LP die fünf Titel „Paint Your Wagon“, „Hold Yourself Down“, „Generation“, Spinning Round“ und „Chance“. Red Lorry Yellow Lorry veröffentlichten 1991 mit „Blasting Off“ ihr bislang letztes Studioalbum. Die Band gibt in unregelmäßigen Abständen Konzerte und taucht im Line-Up diverser Festivals auf. Und sollte man den Namen Red Lorry Yellow Lorry dann lesen: nix wie hin, um sein Bild der 80er-Musikszene zu vervollständigen.
www.red-lorry-yellow-lorry.com
Songs
01. Walking On Your Hands
02. Jipp
03. Last Train
04. Head All Fire
05. Mescal Dance
06. Shout At The Sky
07. Which Side
08. Tear Me Up
09. Save My Soul
10. Blitz
Musiker
Chris Reed – Gesang, Gitarre
David Wolfenden – Gitarre
Léon Phillips – Bass
Chris Oldroyd – Drums