Beim Ablick des Covers der neuen Scheibe von Phillip Boa and the Voodooclub wird wohl nicht nur manchem Tierfreund beim Anblick des Hundes einfallen: „Ach, wie süß, der guckt aber treu in die Kamera!“. Und der Begriff Treue ist ein durchaus wichtiger, heißt das Album des gebürtigen Dortmunders mit der Wahlheimat Malta doch schließlich „Loyalty“ (Treue). Apropos Hund, ein solches Tier befand sich ja auch schon auf dem Cover der Platte „Boaphenia“ von 1993. 19 Jahre später also wieder ein Hund in wichtiger Rolle – das hat doch wirklich etwas von Treue. Von der stilistischen Ausrichtung Boas Musik ganz zu schweigen, die auch 27 Jahre später nicht groß anders ist, als auf dem Debütwerk „Philister“ aus dem Jahre 1985.
„Durchgehendes Merkmal sind eingängige melodische Refrains, die von Stimmungswechseln durchbrochen oder verfremdet werden. Dabei stehen sich der hohe Gesang von Bandmitglied Pia Lund und die belegte Stimme Boas diametral gegenüber.“ So wird der Boa’sche Sound in Wikipedia beschrieben. Genau dafür ist „Black Symphony“, der erste Titel von „Loyalty“ bestes Beispiel: Zum einen die leicht schrammelige Gitarre, der bekannt-nölige und etwas atonale Gesang Boas und dann als Klimax des nicht charttauglichen Grundgerüsts des Songs der furchtbar weichgespült wirkende Refrain, der mit Streichern unterlegt doch so unglaublich zugekleistert wirkt, dass es eher „pink“ statt „black“ heißen müsste. Wäre da nicht die im Untergrund rumpelnde Gitarre Oliver Klemms.
Piratengesang und Liebeslied
Lunds Gesang, im Opener auf Refrain beschränkt, nimmt in „Want“ einen wesentlich größeren Teil ein. In dem Song, der sich ganz danach anhört, als wenn die Piratentruppe der „Wilden 13“ zur Sturmfahrt auf die Weltmeere des Kosmos der Augsburger Puppenkiste aufbricht und in sturmumtoster See ein Lied schmettert. Im gleichnamigen Titellied fordern Boa und Lund dann die erwähnte Loyalität ein: nicht wegzurennen, sondern Treue zu zeigen, so der Tenor, erneut mit Streichern untermalt. Um weit mehr als Treue, um Liebe nämlich, um die Zusammengehörigkeit zweier Menschen über deren Tod hinaus, bis zum letzten Moment ihrer Existenz, nämlich ihrem Vergessen, geht es in „Til the Day we are both forgotten“. Wer meint, dass ihm das Zusammenspiel von Schlagzeug und Gitarrenpart bekannt vorkommt, der hat womöglich The Cures „How beautiful you are“ vor Augen, respektive Ohren.
Ein ähnlicher Deja-Vu-Effekt überkommt einen bei den ersten Klängen von „My Name is Lemon“, dessen Synthielauf stark an die Verwendung des elektronischen Instrumentes in den Händen Gary Numans erinnert. Aber Ähnlichkeiten hin oder her, ist dieser Titel doch der erste auf der Scheibe, der gehörig Drive entwickelt. Dieselbe prägende Rolle hat die extrem rockende Gitarre auf „Under a Bombay Moon soon“, die – zumindest mit Abstrichen – den ein oder anderen Headbanger zufrieden stellen dürfte. Vom selben Kaliber ist „Dream on Planet Cherry“, auch hier gibt Klemms Gitarre mächtig Gas und bringt den sonst recht eingängigen Titel in Reichweite der Setlist der Tour von Boa and the Voodooclub im Spätherbst, auf der laut Label neun bis zehn Songs aus „Loyalty“ landen sollen.
Termine der Tour von Phillip Boa and the Voodooclub 2012
Boa’sche Musik par excellence
Wer es schräger mag, ist mit „Lobster in the Fog“ genau auf der richtigen Reise – ein Rhythmusexperiment mit bunt durcheinandergewürfelter Instrumentierung, großem Perkussionsanteil, der zum Ende hin das Kommando übernimmt. Irgendwie ein Boa-Titel par excellence, genau das, was man vom auf Fotos meist griesgrämig dreinschauenden Musiker und seinen Bandmitgliedern erwartet. Ein ordentliches Album, das Boa, Lund & Co. vorlegen; eine Scheibe, die sich vom eher verhaltenen bis durchschnittlichen Beginn im Laufe der Spielzeit zum Schluss hin mehr Fahrt aufnimmt und deutlich steigert.
„Loyalty“ erscheint am 10. August und wird vertrieben über Cargo Records. Die zwölf Songs der regulären Platte haben eine Spielzeit von 51:45 Minuten, auf der Deluxe-Edition sind drei Titel mehr. (Foto Boa: Ole Bredenfoerder)
Anspieltipps: Want, My Name is Lemon, Under a Bombay Moon soon