New Order glänzen auf „Music Complete“ durch Mittelmaß

Ganz schön viel Rummel gab es ja schon um das neue Album von New Order; ist auch nicht verwunderlich, wenn eines der Aushängeschilder der Post-Punk-New-Wave-Elektro-Ära der 80er Jahre nach etwa zehn Jahre Pause mal wieder etwas Neues aus dem Studio liefert. „Music Complete“ heißt die Platte, im Vorfeld ließen New Order mit der Single „Restless“ einen Appetithappen raus. Neugierig machte der schon, hörte man darauf doch New Order so, wie man sie erwartete: Eine Symbiose aus Gitarren und Synthies, ein Hauch Melancholie und Melodie. Tja, wenn der Rest der Platte ähnlich würde, so mutmaßte man, hätte man vielleicht nichts Weltbewegendes, aber eine echt typische und gute New-Order-Scheibe, die an den bekannten Qualitäten der Band anknüpfen würde.

Hätte man – das ist ist’s auch schon. Denn man hat nicht: New Orders „Music Complete“ ist allenfalls Mittelmaß, driftet oft genug in musikalische Belanglosigkeiten ab. Leider gelingt Sänger und Bandkopf Bernard Sumner & Co. auf der ersten Scheibe nach Trennung von Gründungsmitglied und Bassist Peter Hook nicht das, was New Order mit „Get Ready“ 2001 gelang: überraschend gute Musik. Tja, und warum? Greifen wir die Worte von Hook-Nachfolger Tom Chapmann auf: „Wir wollten zurück zu unseren Wurzeln und eine Elektro-platte machen. Ich denke, das ist uns gelungen. Aber wir wollten auch mutig sein.“ Stimmt irgendwie – sofern man eine langweilige und uninspirierte Elektroplatte machen will und den Mut hat, viele der Hörer und Fans zu erschrecken.

Rückkehr fiesen Italo-Dance-Pops

Dabei folgt auf „Restless“ mit „Singularity“ doch zunächst mal ein vielversprechender Song, lässt Erinnerungen an das unglaublich erfolgreiche und beliebte „Blue Monday“ aufkommen. Mehr Elektro, ein gut im Ohr haften bleibender Synthielauf, Elektrowaveelemente ohne Gitarren zu vernachlässigen – das gefällt. Noch mehr Elektro auf „Plastic“, leider deutlich weniger einfallsreich. Aber um Längen besser als „Tutti Frutti“! War der unsägliche Italo-Dance-Pop zum Glück nicht schon Jahre hinter uns geblieben? Warum müssen New Order so etwas Schlimmes auspacken? Echtes Tutti Frutti ist da ganz weit weg, künstlich schmeckender Vanillepudding aus der Packung liegt da viel näher. Und „People on the high Line“ kann kaum mehr – Elly Jackson von La Roux hat sich für ihre Zusammenarbeit echt schlechtes Material ausgesucht.

Ein anderes Hörerlebnis bietet „Stray Dog“, auf dem Iggy Pop Sprechgesang walten lässt. 6:17 Minuten lang ein perkussions- und rhythmusgetriebenes Hörspiel. Kein großes Musikkino zwar, aber immerhin. Und außer den beiden vorgenannten Rock- und Popstars mischt noch jemand auf „Music Complete“ mit: Brandon Flowers von The Killers. Leider entpuppt sich die Zusammenarbeit mit Flowers, „Superheated“, als billiger Aha-Abklatsch mit seichter Harfe. So was haben die Norweger mit „Take on me“ schon vor 30 Jahren gemacht, im Jahre 1985, damals noch innovativ und guter Elektropop. Aber 2015 ist das nichts mehr Neues, nichts mehr, mit dem man jemanden hinter dem Ofen hervorlocken kann.

Hach, die können’s ja doch…

Zum Glück gibt es ja noch „Academic“ oder „The Game“, welche beide mit ihrer Synthie-Gitarren-Mixtur und ihrer Popattitüde wieder etwas versöhnlicher stimmen. Und vor allem hört man „Unlearn this Hatred“, ein New-Order-Song mit Format. Hierauf trifft gelungener Elektro wirklich mal auf ein wenig Mut. Sumner und seine Mitmusiker beweisen, dass sie’s doch können, Ach, hätte das Album bloß mehr solcher Titel… Zu schade, dass New Order auf „Music Complete“ allenfalls mit gesundem Mittelmaß glänzen – und dies kann man nun wirklich in keiner Weise auf die Trennung von Hook schieben. Denn selbst wenn ein Bassist prägenden Einfluss auf eine Band hat, rechtfertigt der Fortgang dessen nicht, höchst durchschnittliches bis belangloses Material abzuliefern. (Foto: Nick Wilson)

„Music Complete“ von New Order hat elf Songs und eine Laufzeit von 64:26 Minuten. Die Platte ist erschienen auf dem Label Mute Artists Ltd. und im Vertrieb von GoodToGo.

Anspieltipps: Restless, Singularity, Unlearn this Hatred

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