Postpunk, Shoegaze und Waverock, genauer gesagt Darkwave, sind zurzeit der heißeste Scheiß der alternativen Musikszene. Das, was einst The Jesus and Mary Chain, The Cure, Joy Division, die jungen New Order, Clan of Xymox, Alien Sex Fiend und Kollegen machten und zum Teil auch noch heute machen, war und ist enorm einflussreich. Viele, viele neue Bands haben die Musik der frühen 1980er für sich entdeckt, für gut befunden und sind in jenen Genres sehr rege. Manche Bands machen den vermeintlichen Retrokram gut, andere machen ihn schlecht. Wie gut, dass Holygram zu jenen gehören, die ihre Sache gut machen.
Anders als viele Bands der Postpunk- und Darkwave-Szene kommen Holygram nicht aus Ostdeutschland, nein, das Quintett ist in Köln beheimatet. Und tut für uns als Hörer zum Glück gut daran, sich nicht karnevalsbeeinflusster Kölschrockmusik zu widmen – da gibt es genug Kasalla, Brings, Höhner und Konsorten. Sonst kämen wir ja nicht in den Genuss des Holygram-Debütalbums „Modern Cults“, in Musik sehr dunkler und gleichzeitig überwiegend tanzbarer Machart. Ach, kamen da nicht schon mal musikalisch ähnlich gelagerte Bands aus der Karnevalsmetropole? Man denke an Escape with Romeo und Pink turns Blue. Köln kann offenbar doch mehr als Fastelovendsmucke.
Gelungene Zweitverwertung von Songs
Ihren ersten Platten-Gehversuch machten Sänger Patrick Blümel, Gitarrist Marius Lansing, Bassist Bennett Reimann, Drummer Sebastian Heer und Pilo Lenger am Synthesizer Ende 2016 und veröffentlichten auf dem kleinen Kölner Label Reptile Music eine EP. Von den Songs der EP ist sogar einiges auf dem aktuellen Debüt im SPV-Vertrieb vorhanden: die Titel „Hideaway“, „Still There“ und „Distant Light“ führten Holygram der Zweitverwertung zu. Und das anderthalb Jahre alte Material gesellt sich bestens zum Reigen der neuen Lieder.
Was macht nun die Musik Holygrams aus? Tja, wer oben genannte Bands kennt und hört, der weiß im Großen und Ganzen, worauf er sich einlässt. Ein rumpelnder Bass und ein treibendes Schlagzeug – ein kongeniales Team, den Rhythmus der Songs stets auf Trab zu halten. Melodiöse und repetitive Synthieläufe sowie die flirrende Gitarre, welche sich nur selten in den Vordergrund drängt, vielmehr denselben Anteil am Songaufbau hat, wie Bass und Schlagzeug. Über allem, vielmehr neben allem, der hallige Gesang Blümels.
Zwei Ausnahmen gibt es im Klangkonstrukt des modernen Kultes, des Klangkonstruktes, dessen einzelne Songbestandteile nahezu nahtlos ineinander übergehen.: ein kurzes Instrumentalintro sowie „1997“, was fast schon ein bisschen wie eine Hommage an Joy Divisions „In Silence“ klingt. Ach, man könnte ja auch das ganze Album als eine Art Hommage an die guten alten 80er Jahre sehen. Eine schöne Hommage. Die sogar ein Schmankerl bietet – je nach Albumversion gibt es eine zweite CD mit einem großen Schwung Remixes als Dreingabe. (Foto: Yves Christelsohn)
Holygrams „Modern Cults“ hat elf Songs und eine Laufzeit von 50:15 Minuten. Die Platte ist erschienen auf dem Label Oblivion und im Vertrieb von SPV und Cleopatra Records.
Anspieltipps: A Faction, Still There, She’s like the Sun