Dass mit der Neuerfinderei ist ja gemeinhin ein Liebling der Labels und Promoagenturen sowie vieler Journalisten oder Schreiberlinge, wenn es um das Beschreiben neuer Alben irgendwelcher Musiker geht. Wie schön, dass man bei Accept auf solch eine Worthülse üblicherweise verzichten kann, meist sogar muss. Und das trifft auch auf „Too mean to die“ zu, dem jüngsten Werk der langjährigen deutschen Metallhelden: An dieser Scheibe ist nämlich gar nichts neu erfunden!
Accept um Gründungsmitglied und Gitarrist Wolf Hoffmann haben mit „Too mean to die“ mal wieder eine Platte herausgebracht, die dem Stil Accepts genauso treu bleibt, wie die meisten Alben Accepts der vergangenen Jahrzehnte. Und deswegen auch genau so gut ist, wie es sich Accept-Fans wünschen. Und die genau so gut ist, wie man es von einer klassischen Scheibe des Genres Heavy Metal erwarten kann. Wer auf klassischen Metal steht, auf Metal mit Riffs und Rhythmus, mit Melodie und starken Soli, der hat Spaß am Hören.
Neue Musiker, derselbe Stil
Oh, halt: etwas hat sich gegenüber dem Vorgänger „Rise of Chaos“ aus dem Jahre 2017 doch verändert: Bassurgestein Peter Baltes verließ 2018 die Band und wurde durch Martin Motnik ersetzt. Und mit Philip Shouse ist Ende 2019 ein dritter Gitarrist hinzugekommen. Musikalisch hatte dies eher geringe Auswirkung – bis auf die Tatsache, dass die Gitarrenfront jetzt dichter steht und zweistimmige Soli an Präsenz gewinnen. Der Typus der Lieder, die musikalische Ausrichtung Accepts, ist davon jedoch unbeeinflusst.
Mit „How do we sleep“ haben Accept quasi einmal mehr ihren Signature-Song komponiert: der Titel hat irgendwie alles, was Accept-Songs haben müssen; er hätte so in den 80er Jahren, oder in den 90er Jahren auch schon komponiert werden können. Schon cool, wenn sich eine Band dazu bekennt, dass gute Musik einfach zeitlos ist, dass manche musikalischen Kniffe einfach immer funktionieren, ganz einfach, weil sie gut sind!
Motor an und ab auf die Überholspur
Schon der Opener „Zombie Apocalypse“ punktet nach einem längeren Intro mit accept-typischem Metal: Drums, die auf der Überholspur wuchtig antreiben, ein Gitarrenrhythmussektion mit griffigen und melodischen Riffs, Gesang, der durch Mark und Bein dringen will und sehr versierte Soli. Also das perfekte Material für Headbanger. Auch wenn Sänger Frank Tornillo mit seiner Kritik an Smombies textlich nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit ist. Musikalisch in die gleiche Kerbe schlägt „Too mean to die“ – Motor an und mit Vollgas drauflos.
Egal in welchem Song Hoffmann mit Soli zum Einsatz kommt: alles sitzt einwandfrei und gibt Zeugnis von seiner exquisiten Beherrschung des Sechsaiters. Zwischen Feuer-Frei-Titeln wie dem Titelsong, „No Ones Master“ und „Not my Problem“ verbirgt sich der ein oder andere unauffällige Stampfer – kann man so machen, muss man aber nicht unbedingt. Anders macht es „The Undertaker“, das zwischen schwerer und rollender See sowie powerballadesken Teilen und Elementen mit Marschmusikcharakter pendelt.
Apropos Powerballade: eine solche in Reinform bietet „The Best is yet to come“. Mit dem Instrumentalstück „Samson and Delilah“ als Rausschmeißer hat Hoffmann schließlich noch einmal das Heft ganz in der Hand: er darf umfangreich präsentieren, wie stark ihn klassische Komponisten in seinem Gitarrenspiel beeinflussen. Alles in allem liefern Accept mit „Too mean to die“ genau das Material, das der Fan sich wünscht, und sie erfüllen damit die in sie gesetzten Erwartungen. So soll’s doch sein, oder? (Foto: Deaf Music)
Anspieltipps: Too mean to die, No Ones Master, How do we sleep