Die Musikszene Englands hat doch immer mal wieder die ein oder andere Überraschung parat. So wie die Band Talk Show aus Südlondon. Das Quartett schafft es nämlich auf seinem Album „Effigy“ viele traditionelle und vermeintlich bis zum Exzess und bis ans Ausgelutschte bediente Genres so munter zu vermischen, dass das Ergebnis sich echt frisch und knackig anhört und nebenbei verdammt quirlig ist.
Wenn das Label berichtet, Talk Show greife „alles von The Chemical Brothers und The Prodigy bis hin zu Nine Inch Nails und The KLF auf, um einen rohen, ursprünglichen Sound an der Schnittstelle von Techno, Elektronik, Industrial und Rockmusik zu erzeugen“ dann ist dies nicht ganz falsch. Aber so wirklich richtig ist es auch nicht.
Denn man könnte auch noch andere Einflüsse aus dem Hut zaubern: zum Beispiel Bands wie Faithless oder fiese kleine britische Alternativrockrabauken. Oder zum Beispiel Genres wie Bigbeat, Postpunk, Indierock oder andere. Irgendwie schaffen es Harrison Swann (Gesang, Gitarre), George Sullivan (Bass), Tom Holmes (Gitarre) and Chloe MacGregor (Schlagzeug), ein bisschen so zu klingen wie ganz viele andere Bands, um sich dabei letztlich doch höchst individuell anzuhören.
Böse, funky, rotzig und stark
Talk Show klingen auf „Effigy“ böse, sie klingen funky – danke, Sullivan, für den knackigen Bass zum Beispiel auf „Oh, you’re all mine“ oder „Got sold“ -, sie klingen rotzig, sie klingen nach Dancefloor, sie klingen nach Garage. Selten hat man in jüngster Zeit auf einer Platte von knapp über einer halben Stunde Spielzeit so viel Abwechslung gehört. Das ist wirklich ein starkes Abbild guter Musik!
Betörend ist der schnoddrige Gesang Swanns, der wunderbar mit seiner Stimme spielt. Betörend ist ebenso das Schlagzeugspiel MacGregors, das sich unaufgeregt aufgeregt und stoisch hibbelig anhört. Wenn die britische Musikszene weitere Protagonisten wie Talk Show gebiert, dann ist Großbritannien musikalisch auf einem wirklich guten Wege. (Foto: Stewart Baxter)
„Effigy“ von Talk Show hat mit neun Songs eine Spielzeit von 31:13 Minuten. Das Album ist erschienen auf dem Label Missing Piece Records.
Anspieltipps: Gold, Red/White, Oil at the Bottom of a Drum, Catalonia
Talk Show live in der Republik
Live gibt es Effigy sowie das weitere Songmaterial von Talk Show 2024 auch in Deutschland zu hören. Allerdings geben die Londoner nur zwei kleine und feine Konzerte: eines in Berlin, eines in Köln. Ein Abstecher dorthin ist sicherlich eine gute Maßnahme für Musikfans. Ursprünglich waren die Auftritte im Mai vorgesehen, wurden aber in den November verschoben.
18.11. – Köln, Blue Shell (verschoben vom 04.05.)
19.11. – Berlin, Lark (verschoben vom 03.05. aus dem Urban Spree)